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Jury-Präsident Damien Chazelle unterstützt in Venedig den Streik der Drehbuchautor:innen.

© dpa/Vianney Le Caer

Venedig Filmfestival (1): Der Schatten Melonis über dem Lido

Das Weltkriegsdrama „Comandante“ macht deutlich, wie sehr die großen Namen dieses Jahr fehlen. Aber es passt ins Bild der rechten Kulturpolitik der Regierung.

Von Andreas Busche

Ende August geht auf dem Lido allmählich die Sommersaison zu Ende. Man mag es kaum glauben, aber abgesehen von Filmreisenden beherbergt die Insel in dieser Zeit ja noch zahlreiche Familien, die den Strand bevölkern. Regencape und Schirm gehören aber trotz aller Sonnenambitionen zur Grundausstattung eines Venedig-Reisenden, die mitunter heftigen Regenstürme haben in der Vergangenheit auch schon so manche Leinwand in einigen nicht ganz so wetterfesten Kinosälen zum Weinen gebracht.

Unwetter über dem Lido

In diesem Jahr fiel der Empfang für Festivalgäste besonders nass aus, sodass die Warnung des Hochwasserzentrums in Venedig vom Montagabend nicht mehr überraschte. Nach tagelangen Unwettern in der Region Venetien wurde die mobile Dammanlage Mose vor den Zugängen zur Lagune geschlossen.

Erst zum vierten Mal seit 1872 meldet Venedig schon im August Hochwasseralarm. Die Zeit des „Acqua alta“ beginnt gewöhnlich frühestens Mitte September. Dass Ministerpräsidentin Giorgia Meloni innenpolitisch weiterhin zögert, die Gefahren eines menschengemachten Klimawandels anzuerkennen, klingt gerade in der Wasserstadt Venedig wie Hohn.

Es ist also ein feuchter Beginn der 80. Filmfestspiele von Venedig, wo Wasser ja – naturgemäß – ein ständiges Thema ist. Insofern wirkt das U-Boot-Drama „Comandante“ des italienischen Regisseurs Edoardo De Angelis, das die Jubiläumsausgabe am Mittwoch eröffnet, thematisch vielleicht sogar angemessener als das ursprünglich geplante Tennisdrama „Challengers“ mit Zendaya und Josh O’Connor.

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Auch wenn die Starpower aus Hollywood zur Eröffnung einen gelungeneren Einstand ermöglicht hätte. Der Streik in der US-Filmindustrie wird in den kommenden Tagen noch die Gespräche bestimmen; Eröffnungsfilme dagegen bleiben, nicht nur auf dem Lido, in der Erinnerung flüchtig.

Filmpolitisch war es für Festivalleiter Alberto Barbera sicher schlüssig, nach der kurzfristigen Absage von „Challengers“ den einen Film des US-Studios Paramount gegen den anderen – eine italienischen Koproduktion – auszutauschen. Das Kriegsdrama mit seinem philosophierenden Titelhelden, der der Idee eines heroischen Faschismus anhängt, hinterlässt allerdings bei der internationalen Kritik einen schalen Beigeschmack.

Die italienische Regisseurin Liliana Cavani wird mit dem Ehrenlöwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Ihr neuer Film „L’ordine del tempo“ läuft außer Konkurrenz.

© action press/Starpix / picturedesk.com

Comandante Salvatore (Pierfrancesco Favino) ist ein Seebär, der selbst in der „Schlacht der Maschinen“ – dem U-Boot-Krieg im Atlantik – noch nach einem höheren Menschenbild strebt. Die Schwachen werden ausgemustert, aber verschont; der Feind besiegt, aber seine Würde bleibt unangetastet.

„Weil wir Italiener sind“, antwortet der Comandante dem belgischen Kapitän auf die Frage, warum er ihn und seine Crew aus dem Meer gerettet habe. Der Faschist als Moralist, darin bleibt „Comandante“, auch wenn eine kernige Männlichkeitsrhetorik die Monologe durchzieht, unpolitisch. Und dennoch hochgradig ideologisch aufgeladen.

Auch Giorgia Meloni schaut auf Venedig

Es ist keineswegs paranoid anzunehmen, dass die Regierung Meloni sehr genau darauf achten dürfte, welche Sorte von italienischem Kino in Venedig gezeigt wird. In den Medien wird in den vergangenen Tagen schon besorgt spekuliert, dass Kulturminister Gennaro Sangiuliano nach nur einer Amtszeit den Biennale-Präsidenten Roberto Cicutto, neben dem Filmfestival auch für die Kunst- und Architektur-Biennale zuständig, mit einem parteinahen Kumpel zu ersetzen plant. Auch der Vertrag von Barbera läuft im kommenden Jahr aus.

Vor dem Hintergrund, dass die Regierung Meloni schon massiv in die Führungsämter einiger großer kultureller Institutionen eingegriffen hat, ist ein reaktionärer Eröffnungsfilm wie „Comandante“ darum besorgniserregend. Dass sich die Unwetter über dem Lido zum Wochenende hin langsam verziehen, dürfte Meloni politisch ebenfalls in die Karten spielen.

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