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Activists of "Just Stop Oil" glue their hands to the wall after throwing soup at a van Gogh's painting "Sunflowers" at the National Gallery in London, Britain October 14, 2022. Just Stop Oil/Handout via REUTERS    THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. MANDATORY CREDIT

© REUTERS / Foto: Just Stop Oil

Klimaprotest in Museen: Angriffe gegen die Kunst sind immer auch Angriffe gegen unsere Demokratie

In London sind zwei Klimaaktivist:innen verurteilt worden, doch die Anschlagsserie auf Kunstwerke reißt nicht ab. Das schadet nicht nur den betroffenen Museen.

Ein Kommentar von Ronja Merkel

Der Klimaaktivismus hat eine neue Protestform gefunden: Kunstvandalismus. Seit mehreren Wochen kommt es regelmäßig zu Attacken gegen bekannte Gemälde. Was im Oktober mit dem „Tomatensuppenanschlag“ gegen einen van Gogh begann, versetzt inzwischen Museen und Galerien weltweit in dauerhaften Alarmzustand.

Ob Kartoffelbrei auf einem Monet (Museum Barberini, Potsdam), Öl auf einem Klimt (Leopold Museum, Wien) oder am Rahmen eines weiteren van Goghs festgeklebte Menschen (Courtauld Gallery, London) – die Protestler sind durchaus kreativ.

Am Dienstag wurden nun die beiden jungen Menschen, die sich in der Londoner Courtauld Gallery kurzzeitig zu Van Gogh-Accessoires machten, zu Haft- beziehungsweise Bewährungsstrafen zwischen drei Wochen und sechs Monaten verurteilt. Von Reue keine Spur. Warum auch, die Aktionen sorgen ja immerhin dafür, dass über die Klimakrise gesprochen wird. Bloß: Was bringt uns das?

Dass wir uns inmitten einer handfesten Krise befinden und als Gesellschaft vor einer ganzen Weile die rechtzeitige Ausfahrt in Richtung „Rettung des Planeten“ verpasst haben, ist Fakt. Nun gilt es Maßnahmen zu treffen, um hoffentlich gerade noch die Kurve zu kriegen. Maßnahmen, die wehtun müssen, sind wir doch alle viel zu wenig bereit unsere komfortablen Leben anzupassen – ausdrücklich für den privilegierten Teil der Gesellschaft gesprochen.

Nun könnte man argumentieren, dass diese Anschläge gegen die Kunst gerade den privilegierten Menschen – denen, die ein tatsächliches Umdenken bewirken können – besonders weh tun. Also genau an dieser Stelle richtig platziert sind. Der Protest erreicht seine Zielgruppe, zielt in die Achillessehne des Establishments, zwingt die Bonzen dieser Welt endlich zu handeln, statt nur zu reden.

Doch so einfach ist es eben nicht. Kunst ist weit mehr als Statussymbol der Reichen und Schönen, Schmuckstück der Upper Class. Kunst war und ist stets selbst Ausdruck des Protests, des gesellschaftlichen und politischen Umbruchs. Géricaults „Floß der Medusa“ (1819), Picassos „Guernica“ (1937), so ziemlich alles von Francis Bacon – keine Epoche kam ohne dieses Spiel mit der Provokation, mit der Auflehnung gegen „die da oben“ aus. Kunst ist Demokratie in ihrer unmittelbarsten Ausdrucksform. Und Kulturinstitutionen sind Orte der Demokratie, der Teilhabe, des Wissens und Diskurses.

 Der Kunstvandalismus ist so alt wie die Idee des Kunstwerks selbst.

Ronja Merkel

Ja, es gibt – leider – das Vorurteil der Exklusivität. Das Bild von piekfeinen Menschen, die mit arroganter Attitüde auf Fettflecken in Museumsecken starren und glauben, einem die Welt erklären zu können. Aber das ist nicht der Alltag des Kunst- und Kulturbetriebs.

Der besteht aus Schulklassen und Senior:innen, die sich mit Audioguides auf den Ohren und kleinen Klappstühlen unterm Arm von Bild zu Bild schieben. Er besteht aus Pädagog:innen, die wichtige Vermittlungsarbeit leisten, aus Kunstschaffenden, die aus tiefer Passion Werke und Programme konzipieren, die uns andere Perspektiven auf diese Welt ermöglichen.

Museen, ebenso wie Theater, Konzerthäuser oder Bibliotheken, sind Orte, die für das Überleben des Diskurses und der Demokratie unbedingt notwendig sind. Im Falle der Museen sind es die Kunstwerke, die unser humanistisches Streben und die Fortentwicklung der Gesellschaft repräsentieren.

Es sind im Übrigen bei weitem nicht bloß Klimaaktivist:innen, die sich an Kunstwerken vergreifen, um ihren Positionen Aufmerksamkeit zu verleihen. Der Kunstvandalismus ist so alt wie die Idee des Kunstwerks selbst. Zuletzt war es Attila Hildmann – Sternekoch, Corona-Leugner und Ultrarechter –, der inmitten der Pandemie zu Attacken gegen Kunst aufrief, da er Museen für Kultstätten von Satanisten hielt.

Immer wieder kam und kommt es zu Bilderstürmen, brennenden Büchern und zerstörten Kulturorten. Und das oftmals angetrieben durch Menschen, mit denen die Klimakämpfer:innen sicherlich nicht verglichen werden möchten. Angriffe gegen die Kunst sind immer auch Angriffe gegen unsere Demokratie.

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