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© Theater Unterm Dach/Sarah Kralisch

König von Deutschland: Theater um Reichsbürger

Mit einer interaktiven Show taucht die Theatergruppe Polyformers ein in die krude Gedankenwelt der Selbstverwalter, Aussteiger und Schwurbler.

Willkommen im Königreich Deutschland. Für den Einlass braucht es hier ein Visum, aber das wird gegen Vorlage des Personalausweises ohne weitere bürokratische Hürden ausgestellt. Gut, man muss auch das Mobiltelefon eintüten lassen (Fotos unerwünscht!) und wird zum Geldwechsel in die KRD-eigene Währung aufgefordert („Engel“ statt Euro). Aber gut, dafür bietet das Königreich Deutschland etwas Besonderes: nämlich Freiheit.

Von Steuern beispielsweise, denn die sind – wie der Name schon sagt – nur dazu da, die Menschen zu steuern. Auch von Zins und Zinseszins bleiben die glücklichen Staatsangehörigen hier verschont, dieser unseligen Erfindung der „Banker von der Ostküste“. Und garantiert zickt die Krankenkasse nicht, wenn’s um alternative Heilmethoden geht. Schließlich sollen die Leute „chronisch gesund“ werden. Was für eine seligmachende Monarchie!

Der oberste Souverän

Im Theater unterm Dach ist eine bizarre Parallelgesellschaft zu besichtigen. Die Gruppe Polyformers lädt zu einer „interaktiven Reise ins Reichsbürger-Land“ ein – so der Untertitel ihres Erlebnisabends „König von Deutschland“. Der widmet sich einer real existierenden Fantasie-Nation, über die ein gewisser Peter Fitzek seit 2012 als oberster Souverän herrscht.

Im Rahmen einer pompösen, noch immer auf Youtube zu besichtigenden Zeremonie hat sich dieser mehrfach verurteilte Mann in Lutherstadt Wittenberg damals selbst die Krone aufgesetzt und das „Königreich Deutschland“ ausgerufen. Warum auch nicht? Die Bundesrepublik ist schließlich kein echter Staat, sondern wahlweise eine von finsteren Mächten gelenkte GmbH, oder ein Land unter anhaltender Besatzung. Jedenfalls der Ideologie der Reichsbürger:innen und Schwurbeljünger zufolge.

Deren kruder Kosmos war vor Jahren auch schon mal im TD Berlin zu erleben, in der Performance „Staatenlos – Reichsbürger und Selbstverwalter“ der Gruppe Internil. Die leuchtete ebenfalls in die flammenden Köpfe von Fitzek und anderen System-Aussteiger:innen, die ihren Personalweis zurückschicken und Schein-Staaten ins Leben rufen, vom „Staatenbund Österreich“ bis zur „Republik Ur“ (gegründet von einem ehemaligen Mr. Germany).

Was damals deutlich wurde, und was auch die Polyformers in aller Dringlichkeit zu vermitteln verstehen: Man hat es bei Reichsbürger:innen nicht mit lustigen schrägen Vögeln zu tun. Sondern mit gefährlichen Ideolog:innen, in deren Gedankenwelt sich rechte Esoterik, Gebietsrevisionismus oder der Glaube an „germanische neue Medizin“ mischen – wenn sie nicht gerade Pläne schmieden, den Bundesgesundheitsminister zu entführen.

Leere Hände und geläuterter Kopf

„König von Deutschland“ funktioniert glänzend als Aufklärungs-Parcours aus performativen Szenen und Selbstbildungsangeboten, mit Fokus auf der Figur Fitzek und ihrem Scheinstaat. In der Regie von Fabian Rosonsky führen Denis Geyersbach, Ulrich Hoppe sowie die kurzfristig für eine erkrankte Kollegin eingesprungene Christina Berger die mit Visum ausgestatteten Besucher:innen anhand von Originalquellen ein ins Reich.

Belebt werden Erweckungszeugnisse begeisterter Staatsangehöriger („wir bauen eine neue Welt!“), aber auch der bittere Verlustbericht eines Mannes, der mit 300.000 Euro in bar aufs 9,2 Hektar große Staatsterritorium in Wittenberg gezogen ist und bald mit leeren Händen und geläutertem Kopf dastand. Dazu gibt es jede Menge Infotafeln und, nach guter alter Dokumentarschule eines Hans-Werner Kroesinger, einen bestens sortierten Büchertisch zum Themenkreis Reichsbürger:innen, Souveränist:innen, Rechtsextremist:innen und Selbstverwalter:innen. Wobei die Übergänge fließend sind.

Bei der Premiere des Stücks im Frühjahr in Halle wäre übrigens fast Peter Fitzek höchstselbst zugegen gewesen (der Tagesspiegel berichtete). Das Problem: er kam zu spät und hatte kein Visum.

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