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Leuchtende Farben auf einem Relief aus dem Palast in Nimrud (13. bis 9. Jahrhundert v. Chr.). Liam Gillick sagt, er könne anhand der Linien sehen, dass das Relief in Teamarbeit entstanden ist.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Liam Gillick im Pergamonmuseum : Vor der Schließung im Herbst wird’s noch mal bunt

Der britische Bildhauer Liam Gillick bestrahlt die assyrischen Reliefs mit buntem Licht. Wäre das ein Weg für die Zukunft – mit allem lockerer umgehen?

Eine Kolumne von Birgit Rieger

Den britischen Künstler Liam Gillick bringt man erstmal nicht mit einer ernsthaften Angelegenheit, wie dem Pergamonmuseum in Verbindung. Zeitgenössische Kunst soll irritieren, verärgern, kritisieren, sagt er bei einem Rundgang durchs Vorderasiatische Museum am Dienstag. „Zwei Stunden Wartezeit“ heißt es draußen an den hohen Türen der James Simon Galerie, die den Zugang zum Pergamonmuseum bildet. Die Gäste stehen Schlange, um die berühmte Kunst des Nahen Ostens zu sehen, vermutlich herrscht hier schon Osterbetrieb.

Gillick hat 2009 den deutschen Pavillon bei der Venedig Biennale bespielt – mit einer Frankfurter Küche und einer sprechenden Katze. Umso mutiger, dass man ausgerechnet einen listigen Provokateur wie ihn zu einer Intervention im Pergamonmuseum eingeladen hat, in diesem wichtigen Moment, denn ab Herbst wird das Hau für vier Jahre komplett geschlossen sein. Viel Zeit bleibt also nicht mehr, sich nochmal ein Bild von allem zu machen.

Irritation beim Betrachten der Kunst

Gillick, der sich sehr gut mit Kunstgeschichte und offenbar auch mit der antiken Kunst auskennt, ließ im Raum des Ischtar-Tores und in den vorgelagerten Kabinetten erst mal das künstliche Licht ausschalten. „Filtered Time“ nennt er seine Intervention mit Licht und Sound, die beim ehrfurchtsvollen Staunen ein bisschen Irritation auslösen soll.

Nun kriegen die etwa 3.000 Besucher pro Tag mit, wie sich je nach Tageslicht und Wetter die Stimmung in den Räumen ändert. Es kann manchmal ganz schön düster werden. Außerdem rumpelt es rund ums Ischtar-Tor monoton. So könnte es geklungen haben, bei den Steineklopfern im antiken Babylon. Und was da zirpt, ist der vom Künstler extrem verlangsamte Sound einer singenden Lerche.

Lima Gillick hat sich in die Geschichte des Pergamonmuseums eingearbeitet und weist mit seinen Sound- und Lichtinstallationen auf so manche Merkwürdigkeit in der Inszenierung der kostbaren Grabungsfunde hin.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Jede Skulptur, jede Stele, jedes Relief wirkt im Museumsambiente perfekt, makellos, endgültig. So als müsse es genauso sein und auch bleiben. Der erste Museumsdirektor und Ausgräber Walter Andrae hätte die Präsentation Anfang des 20. Jahrhunderts in Teilen vielleicht noch bunter und theatralischer haben wollen. An manchen Stellen hat sich im Laufe der Jahrzehnte Pragmatismus breitgemacht, etwa bei den Vitrinen.

Gillick ließ erst mal das Licht ausschalten

Gillick macht nun Vorschläge, wie man weniger verklärt auf die Objekte aus Babylon und Assyrien schauen kann, zeigt wie sie mal gedacht waren, nämlich farbig. Das haben Wissenschaftler inzwischen spektakulär enthüllt. Den riesigen Wettergott Hadad strahlt Gillick mit sonnengelbem Licht an. In den leeren Augenhöhlen lässt er es blau funkeln.

Drei assyrische Reliefs sind per Video-Mapping knallbunt in RAL-Farben getaucht, zwischendurch erscheint ein psychedelisches Flackern. Gillicks Verweis auf Walter Andraes anthroposophische Ader. Um die Lichtsetzung auszutüfteln, hat der Künstler jede Linie, jedes Detail der Reliefs studiert und kam zu dem Schluss, dass hier ein ganzes Team am Werk gewesen sein muss. Und vielleicht waren auch nicht immer alle konzentriert. Es steckt normales Leben in den antiken Schätzen.

Zuallererst war es die Direktorin des Vorderasiatischen Museums Barbara Helwing, die hier mutig die Tore geöffnet hat, dann auch die Direktoren des Hamburger Bahnhofs, die künftig mehr zeitgenössische Künstler wie Gillick in Museen der Stadt aussenden möchten. Wenn hier ab Oktober alles schließt und viele Jahre später alles wieder aufmacht, dann hat sich der Blick auf Museen, auf Restitution und aufs Bewahren sicher schon wieder verändert. Helwing muss ein Konzept erarbeiten, das die Zeiten überdauert. Mögen Hadads funkelnde Augen sie inspirieren (ab 6. April ist Liam Gillicks Intervention zu sehen).

Jeden Mittwoch liefert Rieger Runde Inspirationen aus Berlins Kunstgeschehen.

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