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Art-o-rama Marseille 2023.

© Margot Montigny Courtesy Art-o-rama, 2023

Marseille muss sich nicht beweisen: Art-o-rama-Kunstmesse

Klein, aber etabliert: 41 Galerien aus 14 Ländern finden sich auf dem Gelände der Friche la Belle de Mai ein, um diverse Positionen zu moderaten Preisen auszustellen.

Von Bernhard Schulz

„Ich liebe Marseille und ich bin gern hier gern auf der Messe!“, jubelt Sophie Tappeiner geradezu. Die Wiener Galeristin kann es mit dem Brustton der Überzeugung tun, denn sie nimmt zum vierten Mal an der Kunstmesse Art-o-Rama teil. 2007 hat die Messe begonnen, in ganz kleinem Kreise, und ist seither sowohl an Zahl der Teilnehmer wie auch an Profil stetig gewachsen. Das heißt, an Zahl der Aussteller kann sie kaum mehr zunehmen, denn die Hauptetage im weitläufigen Kulturzentrum „Friche la Belle de Mai“ lässt nicht mehr zu als die 41 Galerien, die diesmal gewählt worden sind, aus einem Bewerberkreis von über einhundert Galerien, wie Messegründer und -direktor Jérôme Pantalacci mit der Nonchalance dessen erwähnt, der nichts mehr beweisen muss.

Seine Messe ist etabliert; sie wird mittlerweile gern als „Boutique-Messe“ bezeichnet, um deutlich zu machen, dass es hier nicht zugeht wie in den riesigen Hallen von Basel, Köln oder Madrid. Das bedeutet nicht Provinzialität, im Gegenteil. Nur mehr zehn Galerien kommen aus Paris, und dass sie kommen, liegt nicht zuletzt daran, dass kundige Sammler von top-aktueller Gegenwartskunst Marseille längst nicht mehr als Geheimtipp handeln, sondern als Muss in ihrem Kalender vermerkt habend.

Auf die aktuelle Position kommt es an

In vierzehn verschiedenen Ländern sind die Galerien beheimatet. Nur Deutschland ist diesmal allerdings nicht vertreten. Rund die Hälfte der Teilnehmer, so Pantalacci, feiert Marseille-Premiere, und was noch erstaunlicher ist: Etliche Galerien sind selbst ganz jung und noch unter fünf Jahren am Markt. Anders als auf Groß-Messen muss in Marseille keine mehrjährige Geschäftstätigkeit nachgewiesen werden. Auf die aktuelle Position kommt es an, und die muss mit Verve vertreten werden, denn hier sind Solo- oder Duo-Shows gefordert, kein Querschnitt durch Galeriebestände.

Es geht bisweilen gesellschaftskritisch zu, etwa mit der nigerianischen Künstlerin Oroma Elewa, die Fotografie und Schrift in großformatigen Arbeiten kombiniert und souverän mit den Klischees von Frau/Mann und Schwarz/Weiß spielt. Vorgestellt wird sie von der Galerie In Situ, die in der Banlieue nördlich von Paris zuhause ist und schon von daher weiß, wovon ihre Künstlerin handelt.

Ein Werk der Künstlerin Oroma Elewa auf der Kunstmesse Art-O-Rama Marseille. 

© privat

Eine gänzlich andere Position vertritt Jean-Baptiste Perret mit einfühlsamen Kurz-Videos aus seiner Heimat, dem rauen Massif Central, wo er mit anthropologischem Blick zum Beispiel auf einen Hirten schaut, der mit vogelähnlichen Pfeiftönen durch den aufkommenden Nebel hindurch kommuniziert. Die Galerie Salle Principale aus Paris eröffnet dem jungen Künstler die Chance der Erstausstellung sowie des Verkaufs der mit jeweils 5.000 Euro angesetzten Videos in Kleinauflage.

Moderate Preise

Ja, die Preise sind moderat in Marseille. Die Mehrzahl der gezeigten Arbeiten sind im vierstelligen Bereich angesiedelt. Die in Bratislava ansässigen Galerie Photoport kalkuliert für den eigenwilligen, an der Grenze zum Surrealismus malenden, knapp über 30-jährigen Miroslav Pelák mit einem Maximum von lediglich 4500 Euro. Ähnlich überzeugend sind die kleinformatigen Gemälde der 67-jährigen Autodidaktin Nato Sibiladze, die die Galerie Artbeat aus Tiflis vorstellt. Der Gedanke an den großen georgischen Naiven Niko Pirosmani liegt nahe, und Galeristin Natia Bukia verweist denn auch auf die Tradition nicht-akademischer Kunst in ihrem Land.

Überraschende Präsentation

Die überraschendste Präsentation hat ausgerechnet die nun wahrlich alteingesessene Marlborough Gallery. Sie stellt gemalte Blumen von Santi Moix den fotografierten von Pedro Almodóvar gegenüber; genau: dem berühmten Filmregisseur. Die Künstler liefern sich geradezu einen Wettstreit zum Thema Stillleben. Überhaupt sind klassische, „analoge“ Medien stark vertreten, stärker, als man erwarten sollte. Und natürlich sind die Super-8-Filme von Philipp Fleischmann, die die Wiener Galerie Wonnerth Dejaco zeigt, gutes altes Filmmaterial, freilich durch Direktbelichtung und raffinierte Loops verfremdet; er bezeichnet seine Arbeiten zu Recht als „Filmskulpturen“.

Bei den großformatigen Kreidezeichnungen von Anna Schachinger, die die eingangs zitierte Sophie Tappeiner zeigt, glaubt man sich an die neoklassische Richtung der Zwischenkriegszeit erinnert; es sind großformatige, figurative Bilder von höchst eleganter Strichführung – und mit 11.000 Euro wahrlich nicht überbewertet. Auch diese Künstlerin hat gerade erst die Dreißig durchschritten. Eine Messe für junge Kunst von jungen Künstlern ist die Art-o-Rama, zudem eine, auf der Künstler, Galeristen und Sammler sich austauschen. Dafür sorgt schon das Ambiente des Kulturzentrums „Friche la Belle du Mai“, das ganz erheblich zum früher nicht ganz so guten Rufs Marseilles als Kulturstadt beiträgt. Und zugleich seinen ruppigen Charme bewahrt hat.

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