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Hellfest Festival Slipknot Slipknot bei einem Live-Auftritt während des Hellfest Open Air Festivals in Clisson, Frankreich am 18. Juni 2023.

© imago/ABACAPRESS

Metalband Slipknot in Berlin: Fast 30 Jahre in Maske und Uniform

Die Metal-Giganten Slipknot spielten am Mittwoch mit ihrer „The End, so far“-Welttournee in der Mercedes-Benz Arena Berlin. Jedoch ohne Shawn Crahan und Craig Jones.

Slipknots Ruf als eine der größten Metalbands bezieht sich nicht nur auf ihre Erfolge (20 Millionen verkaufte Tonträgern, 11 Platin-Schallplatten), sondern auch auf die Besetzung. Zu den neun Mitgliedern gehören neben der klassischen Metal-Besetzung (Gesang, zwei E-Gitarren, Bass, Schlagzeug) auch ein DJ, ein Keyboarder, ein Perkussionist und – ein Clown.

Dieser Shawn Crahan ist auch das einzig verbliebene Gründungsmitglied von Slipknot, auf der Bühne sitzt er meist an den Schlaginstrumenten und singt im Hintergrund. Am Mittwochabend beim Berliner Konzert in der Benz-Arena fehlt er allerdings, Sänger Corey Taylor verkündet, Crahan sei bei seiner Familie und kann daher nicht an der aktuellen Deutschland-Tour teilnehmen.

Slipknot stehen in Berlin also nur zu acht auf der Bühne, spielen in der fast ausverkauften Halle aber trotzdem energiegeladene 90 Minuten – natürlich mit ihren Band-Markenzeichen, den ikonischen Masken und einheitlichen, schwarz-roten Outfits. Die Bühne erstreckt sich über drei Ebenen, massive Ventilatoren und Stahltonnen strahlen eine industrielle Endzeit-Atmosphäre aus.

Michael „Tortilla Man“ Pfaff klettert über die Bühne und schlägt auf Stahltonnen ein, um Slipknot seinen Sound zu verleihen.

© IMAGO/ABACAPRESS

Wozu letztere gut sind, demonstriert Perkussionist Michael Pfaff aka Tortilla Man: Er beackert sie mit Drumsticks oder schlägt mit einem Baseballschläger auf eine an einer Stahlkette hängenden Tonne ein wie auf einen Boxsack. Pfaff legt sich voll ins Zeug und spielt Clown für zwei: Er krabbelt über die Bühne und hängt sich kopfüber vom oberen Bühnenteil.

Slipknot sind eine Band, die erst live, mit ihrer grotesken Bühnenakrobatik und den Feuershows, ihre volle Wirkung entfalten. Jeder Song ist kraftvoller als der vorherige, laut sind sie alle und die Bühne wird für jedes Stück in neues Licht getaucht. Auf der Videoleinwand im Hintergrund werden zum Teil unheimliche Videos gezeigt, von Aß fressenden Tieren, blutunterlaufenen Augen oder wabernden Nebeln. Und obwohl Taylor ankündigte, dass er sich noch immer mit Stimmproblemen herumplage, legte er beachtliche Gesangseinlagen hin und lachte zwischen den Songs in feinster Superschurken-Manier. Nur wenn man sehr genau hinhört, klingen die hohen Töne der melodischen Passagen etwas angestrengt.

Der Supportact bettete sich perfekt in die Endzeitstimmung des Konzerts ein. Die britische Rockband Sleep Token hüllt sich wie Slipknot in Masken, die Mitglieder verschweigen ebenfalls ihre Identität, die Musik widersetzt sich jeglicher Klassifizierung: Ihr Stil lässt sich am ehesten als Ambient-Progressive-Metal beschreiben, sogar ein Chor steht mit auf der Bühne. Der Sänger, in Mantel und Stiefel, könnte einer Fantasy-Serie entsprungen sein. In der Metal-Szene gelten sie gerade als Band, die man im Blick haben sollte.

Eine Band mit Geschichte

Slipknot gründeten sich 1995, ihr selbstbetiteltes Debütalbum von 1999 wurde in den USA mit Doppelplatin ausgezeichnet. Die ausgeprägte Perkussionierung verleihen der Band einen brachialen Sound. Die E-Gitarren sind schnell und hart, das Schlagzeug unterlegt alles mit einer kraftvollen Doublebass. Gleichzeitig bedient sich Taylor nicht nur klassischer Metal-Gesangstechniken, sondern singt auch klar, was die Band schon in den 1990er Jahren aus der Masse der Nu-Metal-Acts hervorhob. Mit ihren martialisch-absurden Performances prägten sie damals das Genre.

Slipknot kreierte ein Mysterium um die Musiker, das die Band zu einer Marke machte. Die Mitglieder verschleierten ihre Identität, trugen anfangs einheitliche Overalls, nummerierten sich selbst durch. Seit ihrer Gründung hat sich die Besetzung der Band mehrfach geändert. Von den Gründungsmitgliedern ist nur noch Shawn Crahan geblieben, von den am Debütalbum beteiligten Musikern nur Taylor, der DJ und die Gitarristen. Erst Anfang Juni trennte sich die Band nach 27 Jahren von Keyboarder und Sampler Craig „Pinhead“ Jones. Beim Konzert in Berlin stand bereits sein Nachfolger auf der Bühne.

Bewegende Metal-Balladen

Der ehemalige Schlagzeuger Joey Jordison zählte ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern und galt als einer der besten Schlagzeuger der Welt. Er verließ die Band 2013 aufgrund einer neurologischen Erkrankung, die es ihm unmöglich machte, weiter Schlagzeug zu spielen. Er verstarb 2021, das aktuelle Album „The End, So Far“, das auch den Titel der aktuell Welttournee liefert, ist ihm gewidmet. Jordisons Nachfolger Jay Weinberg steht seinem Vorgänger in nichts nach. Dramatische Schlagzeugsoli, wie Jordison sie typischerweise spielte, gibt es jedoch nicht.

Dass Metal auch feinfühlig sein kann, beweisen Slipknot mit ihrer Ballade „Snuff“. Als Corey Taylor mit seiner kratzig-warmen Stimme die ersten Töne anstimmt, singt das Publikum mit: „Bury all your secrets in my skin / Come away with innocence, and leave me with my sins“. Der Slipknot-Frontmann beweist, dass er nicht nur growlen und shouten, sondern auch herausragend melodisch singen kann.

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