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Das Atelier Zyklopik in der Emserstraße. Die neun Mitglieder des Kollektivs Zyklopik sind in unterschiedlichen kreativen Bereichen tätig. Unter anderem waren sehr gute Animationsfilme diverser Künstler:innen zu sehen.

© Birgit Rieger

Nachlese „48 Stunden Neukölln“: Prekär, aber glücklich?

Kreativstandort Neukölln: Manche kleben Preise neben ihre Bilder, andere reden gar nicht vom schnöden Mammon. Von der widersprüchlichen Beziehung zwischen Kunst und Geld.

Eine Kolumne von Birgit Rieger

Ist das nun das Glück der Selbstverwirklichung oder das harte Los des Prekariats? Diese beiden Pole schwingen mit, wenn man als Gast durch die Ateliers von Künstler:innen streift, wie neulich beim Festival „48 Stunden Neukölln“.

Meine 48 Stunden dauerten ungefähr fünf, oder sieben, wenn man das Essen hinterher dazurechnet. Und sie zeigten wieder einmal ein sehr eindrückliches Bild der Kunststadt Berlin. Von außen unsichtbar, verbergen sich in vielen Höfen Ateliers und Künstlerwerkstätten. Kreative Oasen, wenn man es romantisch sieht. Oder Orte unbezahlter Kreativarbeit, wenn man es mit kulturpolitischem Realismus betrachtet.

Unwiderstehlich ist, dass man in all diese sonst privaten Hinterhöfe hineingehen kann, in Keller hinab, Treppen hinauf, Flure entlang. Die Künstler sitzen in ihren Räumen, erzählen dies oder das, manche bleiben still. Sie sind in solchen Momenten ihre eigenen Agenten.

Kunst und Geld – ein widersprüchliches Thema

In einem Atelierhaus in der Schönstedtstraße ist Simon P. Schrieber ins Gespräch vertieft. Sein Bildhaueratelier liegt im Erdgeschoss mit Zugang zum Hof. Drinnen Skulpturen in allen Größen.

Aus Marmor, bemalt, manche haben abschraubbare Glieder wie Puppen, andere sind vermutlich aus einem Stück, wie die Dame in perfekter ganzer Vorbeuge. Ihnen gegenüberzutreten, ist ein Erlebnis, man blickt sie an, sie blicken zurück, es kommt zum Energieaustausch. Promotion hat Strieder für diese Arbeiten vielleicht gar nicht nötig. Und schätzungsweise könnte ich mir höchstens ein ganz kleines Exemplar leisten.

Ist es daneben, bei einem inspirierenden Kunstspaziergang, der „48 Stunden Neukölln“ in diesem Jahr definitiv war, ans Geld zu denken? Es bleibt nicht aus. Viele, die man hier trifft, versuchen von ihrer Kunst zu leben. Was es bedeutet, wenn es anders läuft, thematisieren die Künstler:innen vom nomadischen „2 chairs artspace“, der zum Festival in einer Galerie im Hinterhof in der Emserstraße gastierte.

Die Künstler:innen von 2 chairs sitzen zwischen den Stühlen, weil sie ihre Brötchen in anderen Bereichen verdienen, aber zugleich Kunst machen. Ja, sogar dazu einladen, über Alternativen zum Brotjob nachzudenken. Was kostet es, seiner Leidenschaft zu folgen? Wer kann es sich leisten? Wie könnte die Gesellschaft davon profitieren? Wichtige Fragen für die Zukunft.

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