zum Hauptinhalt
Präsentation in Gedichtform: Paul W. Werth bekam viel Applaus für diesen Einfall.

© Annette Hornischer/ American Academy in Berlin

Neue Stipendiaten an der American Academy: Klimawandel im Science-Fiction-Roman

Die 50. Klasse mit Fellows aus den USA stellte Projekte zu drängenden aktuellen Fragen vor, die bei der Gründung vor 25 Jahren kaum vorstellbar waren.

Die Präsentation eines wissenschaftlichen Projekts in Reim-Form ist selbst an der für geistige Höhenflüge bekannten American Academy eine Ausnahme. Paul W. Werth, Geschichtsprofessor an der University of Nevada in Las Vegas, gehört zur 50. Klasse der Stipendiaten, die ihre Vorhaben am Donnerstagabend vorstellten. Manche seiner Sätze vervollständigten seine Mit-Fellows im Flashmob-Stil.

Dabei befasst sich Werth mit einem ebenso ernsten wie aktuellen Thema. Was haben territoriale Landgewinne und Landverluste über die letzten sieben Jahrhunderte mit Russland gemacht? Warum ist Russland so geworden, wie es ist? Ganz am Rande erinnerte er an eine Zeit, da die USA mit Deutschland die Gemeinsamkeit einer direkten Grenze zu Russland teilten.

Als sich im September 1998 die Gäste der Eröffnungszeremonie für die American Academy um den Ehrenstipendiaten Arthur Miller sammelten, war die Euphorie über die Überwindung des Kalten Krieges noch jung.

Neue Traditionen nach dem Abzug der Alliierten

Nach der Wiedervereinigung und dem Abzug der Alliierten wurde nach neuen Traditionen gesucht, um die Bande zwischen Amerikanern und Deutschen am Ort der Luftbrücke weiter zu pflegen und zu stärken. Zuerst brachte der damalige US-Gesandte Joel Levy die Idee der American Academy auf. Aus deren zarten Funken Botschafter Richard Holbrooke dann ein wahres Leuchtfeuer entfachte.

Henry Kissinger, Richard von Weizsäcker und Fritz Stern gehörten zu den frühen Unterstützern der Idee. Die Villa am Wannsee hatte einst dem von den Nazis vertriebenen Bankier Hans Arnhold gehört.

Jonglierende Professoren willkommen

Mit einer entscheidenden Spende von drei Millionen Dollar trugen seine Tochter Anna-Maria und ihr Mann Stephen Kellen von New York aus zur Umsetzung des Projekts bei. Auch der langjährige Gründungsdirektor Gary Smith war bei der Vorstellung der 50. Klasse dabei.

Der derzeitige Präsident Daniel Benjamin, damals Journalist in Deutschland, später unter anderem außenpolitischer Redenschreiber von US-Präsident Bill Clinton, dachte laut darüber nach, ob künftig vielleicht ein Professor, der auch jonglieren kann, zum Haus passen würde.

Der teils spielerische Umgang mit aktuellen wissenschaftlichen Themen auf höchstem Niveau gehört zu den intellektuellen Freuden der Unterstützer und Freunde des Hauses, darunter Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff und der langjährige Protokollchef im Auswärtigen Amt, Bernhard von der Planitz.

Kartoffeln und Menschen im Klimawandel

Holtzbrinck-Stipendiatin Cristina Rivera etwa wird sich der noch jungen Form des CliSci-Romans widmen, der Klima-Science-Fiction. Die in Mexiko geborene Professorin für kreatives Schreiben an der Universität Houston interessiert sich dafür, was der Klimawandel in 400 Jahren aus den Menschen gemacht haben wird.

Daniel Benjamin, Präsident der American Academy

© Annette Hornischer / American Academy in Berlin

Eine größere Rolle spielt dabei auch die Kartoffel. So schlägt sie den Bogen von Mexikos Hochland rund um den Vulkan Tocelo zum Erbe Friedrichs des Großen. Berlin, ihre Lieblingsstadt, wird wohl auch Lauren Groff inspirieren, deren Besteller „Matrix“ mit der spannenden Geschichte einer mittelalterlichen Äbtissin und unehelichen Königstochter kürzlich auf Deutsch erschienen ist.

Gott und die Hausgeister

In ihrem gerade entstehenden Werk „Doom Eager“ befasst sie sich unter anderem mit der Verbindung der Menschen zu Gott, mit der Schöpfung der Kunst, der Entstehung der Bibel, Helena von Troja, Hausgeistern und der Tänzerin Martha Graham.

Ela Gezen, aufgewachsen in Moabit, ist Professorin an der University of Massachusetts. Sie untersucht die Rolle türkischer Künstler bei der Selbstdarstellung der türkischen Community in einer frühen Phase der Migration nach Deutschland.

Zentrale Aspekte der Globalisierung

John Connelly von der Berkeley-Universität geht der Frage nach, warum das Dritte Reich zunächst auch für solche Deutschen plausibel klang, die gar keine Sympathien für die Nazis hatten und taucht ebenfalls tief in die Jahrhunderte ein.

Abraham Newman von der Georgtown University geht der Globalisierung auf den Grund und erklärt, warum sie - anders als viele denken - ein Phänomen der Zentralisierung ist, zum Beispiel durch große Unternehmen und Lieferkettenabhängigkeiten.

Von schmelzenden Eisbergen bis nach Honolulu

Die Anthropologin Cymene Howe von der Rice University befasst sich mit dem Klimawandel aus Sicht des Wassers, von den schmelzenden Eisbergen in Grönland bis zu gefährdeten Orten wie Honolulu.

Mit Tashi Wada aus Los Angeles ist auch ein Komponist an Bord, dessen ebenfalls musizierender Vater einst schon ein Stipendium im Künstlerhaus Bethanien hatte.

Staatsminister Tobias Lindner vom Auswärtigen Amt bot den Stipendiaten am Ende seiner Begrüßungsrede exklusive Führungen durch den Reichstag an und riet ihnen, auch den Wein aus seiner südpfälzischen Heimat zu probieren.

Nicht zu langweilen - diese dramatische Proklamation am Ende des Gedichts von Paul Werth dürfte allen lässig gelingen. Auch durch die Kunst, gleichzeitig lehrreich, visionär und unterhaltsam zu sein, haben die Fellows in den letzten 25 Jahren die American Academy zum Leuchtturm gemacht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false