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Die US-Musikerin Taylor-Swift.

© Universal Music

Neues Album „Midnights“: Taylor Swift ist zu groß für diese Welt

Auf ihrer zehnten Platte „Midnights“ singt Taylor Swift über süße Liebe und dunkle Ängste. Es ist ein ziemlich perfektes Pop-Album geworden.

Taylor Swifts jüngster Sohn ist entgeistert. „Ich bin den ganzen Weg von Ibiza hergeflogen“, brüllt er. Die Pop-Ikone wird gerade beerdigt, ihre Familie hat sich versammelt und der Schock ist groß: Die berühmte Mutter hat ihnen gerade mal 13 Cent vermacht, das Strandhaus soll zu einem Gnadenhof für Katzen werden.

War das vielleicht alles gar nicht so gemeint? Swift ist schließlich bekannt für ihre kryptischen Botschaften. „P.S.: Es gibt keine geheime, verstecke Nachricht, die eigentlich etwas anderes bedeutet“, schrieb sie noch in ihr Testament – und raubt ihren Kindern damit die letzte Hoffnung auf das große Geld.

Diese Szene spielt sich ab im Musikvideo zu „Anti-Hero“, der ersten Singleauskopplung und eines der Highlights von Taylor Swifts neuem Album „Midnights“. In der Single gibt sich Swift zu fröhlichen Pop-Rock-Beats ihren dunkelsten Albträumen hin. Dass ihre Schwiegertochter sie wegen des Geldes umbringt, etwa. Oder dass sie ein riesiges Monster ist, wie Godzilla. Zu groß, um mit anderen abzuhängen – ein Gedanke, der abwegig scheint. Bis einem einfällt, dass er von einem der erfolgreichsten Popstars der Welt kommt.

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Der Song erinnert an ihren Hit „Blank Space“ von 2014, mit der brillanten Zeile „Got a long list of ex-lovers / They’ell tell you I’m insane”. Damals verabschiedete sich Taylor Swift vom heiligen Ernst der ersten Jahre ihrer Pop-Karriere und zeigte: Sie ist „in on the joke“. Sie weiß, was die Leute über sie sagen und kann mitlachen. „It’s me, hi / I’m the problem, it’s me / At teatime, everybody agrees“, singt sie jetzt im Chorus von „Anti-Hero“.

Das letzte S zieht sie dabei einmal so lang, dass es an das Zischen einer Schlange erinnert – ein Verweis auf ihr Album „Reputation“ von 2017, als sie gerade Stress mit Kanye West und Kim Kardashian hatte und von Tausenden als falsche Schlange beschimpft wurde.

Swift ist berühmt für ihre geheimen Nachrichten

Es sind eben diese geheimen, versteckten Nachrichten, für die Taylor Swift berühmt ist, die von ihrer imaginierten Familie im Testament genauso gesucht werden wie von ihren Millionen Fans, den „Swifties“. Sie ziehen sich natürlich auch durch „Midnights“, Taylor Swifts zehntes Studioalbum.

13 Songs, straffe 44 Minuten, veröffentlicht pünktlich um Mitternacht. Die Songs seien nachts entstanden, eine „Reise durch schreckliche Angst und süße Träume“, wie Swift auf Instagram schrieb. „Midnights“ ist ein elegantes, kohärentes und ziemlich perfektes Pop-Album geworden.  Der Sound atmosphärischer, zurückgenommener Elektropop, die gewohnt originellen Lyrics eine Mischung aus Liebesgeschichten und Selbstreflexion.

Jeder Song ist produziert von Taylor Swifts Langzeitkollaborateur Jack Antonoff, der auch für Lorde und Lana del Rey Musik macht. „The National“-Gründer Aaron Dessner, mit dem Swift für ihre Folk-inspirierten Pandemie-Alben „Folklore“ und „Evermore“ zusammenarbeitete, darf gerade noch bei drei der sieben Bonus-Tracks dabei sein, die Swift um drei Uhr morgens noch schnell veröffentlichte. Auch Hardcore-Bubblegum-Pop, wie er noch Swifts 2019er-Album „Lover“ durchzog, ist weg vom Fenster.

Explizit Politisches gibt es auf diesem Album nicht

Das Album geht stark los, mit „Lavender Haze“, einer Hymne an Swifts Langzeitpartner, den Schauspieler Joe Alwyn, der auch gerne selbst an ihren Tracks mitschreibt. „All they keep asking me / is if I’m gonna be your bride / The only kinda girl they see / Is a one-night or a wife”, singt Swift und bezieht sich damit auf die endlosen Heiratsgerüchte der Klatschpresse – „the 1950s shit they want from me”, wie es später im Song heißt.

Die Zeilen sind das Politischste, was auf dem Album zu hören ist. Nachdem Swift lange als Postergirl des konservativen Amerikas galt – selbst Donald Trump war Fan –, hatte sie 2018 ihr politisches Coming-Out als Demokratin. Und nutze ihr Album „Lover“, um sich unter anderem für LGBTI-Rechte einzusetzen.

Auf dem intimeren „Midnights“ wären solche plakativen Statements fehl am Platz. Nicht nur der Sound des Albums ist erwachsener, auch die Sprache. Sechs der 13 Songs sind mit „explicit“ gelabelt, „fucking“ ist ein viel genutztes Wort – noch vor einigen Jahren undenkbar für Swift. Das einzige Feature der Platte ist Lana del Rey auf „Snow on the Beach“, einem verträumten Song mit wunderschöner Melodie, der Del Rays und Swifts musikalische Stile verbindet.

Sie besingen das unwirkliche Gefühl des frisch Verliebtseins– „weird, but fucking beautiful“.  Einziges Manko ist, dass Lana del Rey nur zusammen mit Swift zu hören ist und keinen eigenen Verse bekommt.

Taylor Swift kam 1989 in Reading, Pennsylvania, zur Welt.

© Universal Music

„Vigilante Shit“ ist eine Rachefantasie zu Beats, die an Billie Eilishs Debutalbum „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ erinnert, auf „Labyrinth“ und „Midnight Rain“ experimentieren Antonoff und Swift mit ihrer Stimme, verzerren sie mit Autotune ins Unkenntliche oder splitten sie in verschiedenen Spuren auf.

Niemand habe als Kind mit ihr spielen wollen

„Karma“ ist der klassischste Popsong des Albums, der ein in Swifts Katalog stets präsentes Thema behandelt. Es geht unter anderem um einen „Spider boy, king of thieves“ – wohl ein Verweis auf den Produzenten Scooter Braun, der die Rechte ihrer frühen Alben gekauft hat, die Taylor Swift nun eins nach dem anderen einfach neu aufnimmt und damit noch einmal sehr viel Hype produziert. Karma halt.

„Mastermind“, der letzte Song des Albums, ist ein ähnlicher Seelen-Striptease wie „Anti-Hero“. Swift besingt darin, wie sie ihren Freund erobert hat, Schritt für Schritt. Es habe als Kind nie jemand mit ihr spielen wollen, deshalb habe sie früh gelernt, Pläne zu schmieden, um geliebt zu werden.

Der Songtitel ist sicher auch ein Verweis auf ihr Image als smarte Business-Frau, die jeden Karriere-Move genau durchplant, jede Zeile mit doppelter Meinung versieht. „And I swear / I’m only cryptic and Machiavellian / ‚Cause I care”, singt sie. Nach diesem Album glaubt man es ihr.

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