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Liudmyla Monastyrska.

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Opernsängerin Liudmyla Monastyrska: „Ich bin geflüchtet, aber meine Seele ist in der Ukraine“

Star-Sopranistin Liudmyla Monastyrska hat eine Wohnung in Warschau, stand mit der ukrainischen Flagge auf der Bühne der Metropolitan Opera und kommt jetzt für ein Benefizkonzert nach Berlin.

Bei dem Konzert in Berlin werden Sie Arien aus den Werken ukrainischer Opernkomponisten und ukrainische Volkslieder vortragen. Was ist für Sie das Besondere an diesen Werken?
Unsere Volkslieder sind sehr melodisch, sie ähneln ein wenig denen Italiens: Beide Sprachen sind sehr musikalisch. Die ukrainischen Lieder sind gesangsfreundlich, sie erfordern keinen Stimmumfang von mehreren Oktaven, wir singen sie auch beim Putzen oder Spülen. Und auf der Grundlage dieser Volksmusik entstanden unsere Opernklassiker. 

Leider stand die ukrainische Musik in Europa bis vor kurzem im Schatten der russischen Musik. Nur wenige Menschen kennen unsere Opern und deren Komponisten Semen Hulak-Artemovsky und Mykola Lysenko. Ukrainische Volkslieder werden gerne mit russischen verwechselt, auf Tourneen wurde ich oft als russische Sängerin vorgestellt. Jedes Mal musste ich erklären, dass ich aus der Ukraine komme. 

Mit Beginn des Krieges änderte sich alles Sie wurden eingeladen, anstelle von russischen Sängerinnen aufzutreten, deren Verträge aus Solidarität mit der Ukraine gekündigt worden waren. Insbesondere haben Sie im Mai Anna Netrebko an der Metropolitan Opera ersetzt. Doch jetzt sind russische Sängerinnen und Sänger wieder auf zahlreichen Opernbühnen zu sehen. Beleidigt Sie das?
Ich interessiere mich schon lange nicht mehr für die Karriere meiner russischen Kollegen. Seit 2014, als Russland die Separatisten im Donbass unterstützte, reise ich nicht mehr dorthin. Obwohl ich vom Bolschoi- und vom Mariinsky-Theater eingeladen wurde. Unglaublicherweise erhielt ich auch nach Beginn der russischen Invasion am 24. Februar Einladungen nach Russland. 

Ihr Heimattheater, die Nationaloper der Ukraine, hat kürzlich alle Tschaikowsky-Werke aus ihrem Repertoire gestrichen. Was halten Sie davon?
Ich unterstütze diese Entscheidung. Obwohl ich Tschaikowsky sehr liebe, seine Werke sind genial. Und ich liebe die Romanzen von Sergej Rachmaninow, ich habe sie immer mit Freude gesungen. Übrigens ist er auch ein Opfer des russischen Regimes.

Nach der Oktoberrevolution 1917 wurde er gezwungen, Russland zu verlassen, er litt so schwer unter der Trennung, dass er zehn Jahre lang nichts komponiert. In Kriegszeiten ist jedoch unangebracht, die Musik eines Landes zu spielen, mit dem man sich im Krieg befindet.

Es heißt, Sie seien die beste Aida, aber Sie singen die Rolle nicht mehr. 
Ja, diesen Ruf habe ich wegen Peter Gelb, dem Generaldirektors der Metropolitan Opera. Als ich die Aida dort sang, sagte er, er habe in den letzten 50 Jahren keine bessere gehört, seit der Zeit von Leontyne Price. Ich mag keine Stereotypen, kein hochtrabendes Wortgeklingel. Und wenn ich als beste Aida bezeichnet werde, frage ich mich sofort: Bin ich in anderen Rollen so schlecht? 

Und was sind denn Ihre Lieblingsopern?
Ich liebe die Rollen aus den Opern „Norma“, „Troubadour“ und „Die Macht des Schicksals“. Nicht so sehr „Turandot“ und „Tosca“.

Dennoch haben Sie Anna Netrebko in „Turandot“ ersetzt?
Peter Gelb hat mich überredet. Ich sagte, ich sei nicht interessiert und dass ich die Rolle seit 2015 nicht mehr gesungen habe. Aber er erklärte, es sei für sie wichtig, den Vertrag mit Netrebko wegen ihrer Pro-Putin-Position zu kündigen. Also stimmte ich zu.
Er rief mich an, als ich gerade neue Konzertkleidung kaufen ging. Der Krieg erwischte mich in Neapel, wo ich zwei Monate unter Vertrag stand. Alle meine Sachen, Kleidung, Keyboards, Noten, waren zu Hause geblieben.

Sie mussten also Ihre Garderobe von Grund auf neu zusammenstellen?
Ja, aber sie ist sehr schlicht, man muss sie nicht bügeln, wenn sie im Koffer waren. Meine luxuriösen Kleider zu Hause passen kaum in drei Schränke. Und hier – ein Koffer. Ich bin ein Flüchtling wie Millionen ukrainischer Frauen, nur mit dem Unterschied, dass ich anders als viele einen Job habe.

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Aber meine Seele ist in der Ukraine. Ich bin sehr erschrocken, als russische Raketen vor einigen Tagen ganz in der Nähe meiner Wohnung einschlugen. Ich wohne neben der Oper, im Stadtzentrum von Kiew. Und mein Sohn ist jetzt dort. Als der Krieg begann, war er im Ausland, aber im April kehrte er nach Hause zurück, weil er es für unanständig hält, sich vor dem Krieg zu verstecken. 

Kann es sein, dass Sie für immer im Ausland bleiben werden?
Auf keinen Fall. Ich habe nie daran gedacht auszuwandern. Schon vor dem Krieg verstand ich viele meiner Kollegen nicht, die die Ukraine verließen, um dauerhaft anderswo zu arbeiten. Meiner Meinung nach verliert ein Künstler dann einen Teil seiner Identität. Ich denke übrigens, dass sie kein Recht haben, jetzt unter ukrainischer Flagge aufzutreten.

Ich verurteile sie nicht, aber ich mag es nicht, wenn es so aussieht, als ob sie die Ukraine vertreten. Deshalb bleibe ich Solistin der Nationaloper der Ukraine, die auf internationalen Opernbühnen gastiert, aber immer nach Hause zurückkehrt..

Wo ist Ihre vorläufige Unterkunft?
Ich habe eine Wohnung in Warschau gemietet, aber auch hier bleibe ich nicht. Ich bin zum Beispiel gerade aus Parma zurückgekommen, wo ich einen mehrmonatigen Vertrag für Verdis Oper „La Forza del Destino“ habe. Übrigens werde ich bei dem Konzert in Berlin eine Arie daraus singen.

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