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Der vermeintlich freundliche Schuldnerberater Jonathan Hüter (Godehard Giese, rechts) meint es mit Klienten wie Yegor Melnik (Sebastian Anton) weniger gut, als es den Anschein hat.

© rbb/Volker Roloff

„Polizeiruf 110“ in der Besetzungsfalle: Der Mörder ist immer ...

Erneut war ein Bösewicht in einem TV-Krimi bereits nach einer Viertelstunde offenkundig. Warum wird dieser Fehler immer wieder begangen?

Ein Kommentar von Kurt Sagatz

Beim „Polizeiruf 110“ des RBB aus der deutsch-polnischen Grenzregion erleben die Zuschauer gerade die Entstehung eines ganz besonderen Teams. In der ersten Episode nach dem Ausscheiden von Lucas Gregorowicz als Adam Raczek sah es so aus, als ob sein junger Kollege Vincent Ross alias André Kaczmarczyk alleine ermitteln müsste. Weit gefehlt. Der queere Kommissar mit dem extravaganten Kleidungsstil bekam Unterstützung von dem ländlichen Exil lebenden Ex-Kripo-Mann Karl Rogov (Frank Leo Schröder). Nicht zuletzt wegen des subtilen Humors des Duos wäre alles andere als eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit kaum vermittelbar.  

Bloß schade, dass auch dieser Film in die Besetzungsfalle tritt und damit einen der wohl häufigsten Fehler für einen Whodunit-Krimi begeht. Gerade bei dieser Erzählform soll das Publikum doch möglichst lange darüber rätseln können, wer der Täter ist. Doch damit ist es bei „Gott des Bankrotts“ bereits nach einer Viertelstunde vorbei.

Zum kleinen Krimi-Einmaleins gehört spätestens seit Agatha Christie, die Figur des Täters möglichst früh einzuführen. Vorzugsweise handelt es sich um eine Nebenfigur, die scheinbar zufällig in Erscheinung tritt, während der Fokus auf dem offensichtlich Verdächtigen liegt.

Doch der Trick wird zu häufig eingesetzt, um nicht durchschaut zu werden. Vor allem, wenn die eigentlich unbedeutende Nebenrolle mit einem renommierten Schauspieler mit hohem Wiedererkennungswert besetzt wird. Mitunter wird dieser potenzielle Fallstrick in sein Gegenteil verkehrt und der Zuschauer bewusst in die Irre geführt. Nicht so in „Der Gott des Bankrotts“ und dem Schauspieler Godehard Giese.

Mit Fiesheits-Garantie: Godehard Giese und seine Rollen

Nicht zuletzt in seiner Rolle als fieser Kommissar Wilhelm Böhm in „Babylon Berlin“, der Charlotte Ritter das Leben schwer macht, hat Giese gezeigt, wie wandlungsfähig er ist. In der 20er-Jahre-Serie ist seine Figur keineswegs so wohlmeinend und harmlos, wie es das sympathische Äußere des Darstellers nahelegt. Im „Polizeiruf“ wird er als netter Schuldnerberater Jonathan Hüter eingeführt, dem das Wohl seiner Klienten wirklich am Herzen liegt. Dahinter verbirgt sich allerdings ein kaltherziger, manipulativer Narzisst, der seine Opfer aus einer Mischung aus Bosheit und Machttrunkenheit bis in den Tod treibt.

Wie einfach wäre es gewesen, die Rolle mit einem weniger bekannten Schauspieler zu besetzen. Doch offenbar ist die Versuchung stärker, eine so wichtige Rolle mit einem bekannten Gesicht zu verbinden. Oder ist es die Sorge, ein weniger erfahrener Darsteller sei der Aufgabe nicht gewachsen? Mehr Mut, wäre die Antwort darauf.

Immerhin entschädigt das Ende ein wenig für den Spannungsverlust. Hüter hat die Taten nicht selbst begangen. Selbst seine Anstiftung lässt sich juristisch kaum beweisen, er kommt ungeschoren davon. Aber Kommissar Ross ist sich sicher: „Ich kriege dich noch“, ruf er ihm hinterher. Und Zuschauer werden Godehard Giese höchstwahrscheinlich im „Polizeiruf“ wiedersehen.

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