zum Hauptinhalt
Eine Szene aus „Babylon Berlin“.

© Frédéric Batier/X Filme Creative

Qualität im linearen Fernsehen : Mehr Primetime wagen!

Was aus den schlechten Erfahrungen der ARD mit der Event-Programmierung „Babylon Berlin“ zu lernen ist.

Eine Kolumne von Markus Ehrenberg

| Update:

Die ARD muss sich nach der Event-Programmierung dieser Woche Fragen stellen. Sahen den Start von „Babylon Berlin“ am vergangenen Sonntagabend im Ersten noch gut drei Millionen Zuschauer, schalteten viele schnell ab, weil sie mitbekamen, dass das ja gar nicht der „Tatort“ war wie sonst zu der Uhrzeit. Die Quoten von „Bayblon Berlin“ bröckelten in den nächsten Tagen weiter. Die Zuschauer sprachen dem Qualitätsunterhaltungsprodukt nicht in dem Maße zu, wie sich das das öffentlich-rechtliche Fernsehen vorstellt. Vorstellen sollte.

Vielleicht muss man tiefer gehen. Vielleicht ist der Zuschauer um diese Uhrzeit einfach keine Qualität mehr gewohnt, auch nicht bei ARD und ZDF. Qualitätsfernsehen, vor allem im fiktionalen Bereich, läuft nicht um 20.15 Uhr, sondern später am Abend – oder immer öfter in der Mediathek oder im Pay-TV (Sky), siehe die Erstverwertung von „Babylon Berlin“.

Das schafft Konditionierung bei denjenigen, die nur Knopf 1 und 2 auf der Fernbedienung kennen. Im „Tatort“ liegt seit 50 Jahren jeden Sonntagabend nach sieben Minuten eine Leiche auf dem Boden oder wird am Anfang ein Spruch von den Ermittlerkumpels aus Köln gemacht. „Babylon Berlin“ startete mit einer gedankenschweren, sinistren Sequenz, ein Ermittler in offenbar schwer erträglicher psychologischer Behandlung. Das will bedacht, weiter verfolgt und vielleicht später verstanden sein.

Es ist eine Krux mit den (Nicht-)Ansprüchen ans lineare Fernsehen. Warum immer nur aufs junge Zielpublikum in der Mediathek verweisen? Viele Ältere kennen dieses Angebot nur dem Namen nach. Der Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger hat von „Altersdiskriminierung“ gesprochen, weil gerade die ARD ihre neuen Serien erst in die Mediathek stellt, um sie Wochen später im Ersten zu nachtschlafender Zeit zu versenden, mit überschaubarem Publikum.

Warum nicht öfters hochwertige Serien wie „37 Sekunden“ (über eine junge Musikerin, die ihren doppelt so alten Mentor wegen Vergewaltigung anzeigt) oder „Die nettesten Menschen der Welt“ von Grimme-Preisträger Alexander Adolph gleich nach der „Tagesschau“ bringen statt nach den „Tagesthemen“ kurz vor elf? Dann klappt’s auch mit „Babylon Berlin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false