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Joe Chialo, Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, im Oktober 2023.

© IMAGO/Funke Foto Services

Rücknahme der Anti-Diskriminierungsklausel: Was Joe Chialo jetzt anders machen sollte

Nur einen Monat lang hielt sich der Vorstoß des Berliner Kultursenators. Statt die Klausel juristisch nachzubessern, sollte sich seine Behörde Alternativen einfallen lassen.

Ein Kommentar von Nicola Kuhn

Genau einen Monat lang hat sich die Antidiskriminierungsklausel von Kultursenator Joe Chialo gehalten. Am 21. Dezember hatte er sie zur Überraschung aller ohne weitere Absprache mit dem Kulturrat, Künstlerverbänden oder anderen Interessenvertretern außerhalb seiner Behörde herausgegeben. Nun zog er sie mindestens ebenso plötzlich wieder zurück – „aufgrund juristischer Bedenken“, wie es in der Pressemitteilung heißt, „weil sie in dieser Form nicht rechtssicher sei“.

Seine knappe Begründung für die Einkassierung der Klausel, nach der die Vergabe von Fördergeldern vom Senat an ein Bekenntnis gegen Antisemitismus gekoppelt ist, enttäuscht ebenso wie ihre völlig überstürzte Lancierung. Als Kultursenator will Joe Chialo ein Mann der Tat sein, dem Antisemitismus einen Riegel vorschieben, zumal nach der Bejubelung des Hamas-Terrors vom 7. Oktober auf Berlins Straßen und der im Kulturbetrieb um sich greifenden Polarisierung zwischen Solidarität mit Palästina und Parteiergreifung für Israel. Dabei hat er sich verstolpert, das kann Politikern passieren.

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Allerdings hätte man sich mehr von ihm gewünscht nach einem Monat erhitzter Diskussion um eine unfertig formulierte und vorschnell durchgesetzte Förderrichtlinie, als dass er zur Begründung für den Rückzieher mangelnde Rechtssicherheit nennt. In der Debatte ging es nicht um juristische Finessen, sondern um die künstlerische Freiheit, den bedrohten Raum für Kontroversen, der durch vorherige Gesinnungsprüfungen verloren geht.

Ja, es verdient Respekt, dass Joe Chialo nachgibt und die Stümperhaftigkeit seines Vorstoßes eingesteht. Lob verdient es nicht, das ihm manch Politiker im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses wohl vor allem aus Erleichterung darüber zollte, weil er Berlin damit aus der Kritik holt. Bei der anschließenden Aussprache ließ der Senator kaum erkennen, mit welchen Institutionen er sich denn nun zu beraten gedenkt außerhalb seiner Verwaltung, die ihn so schlecht präparierte. Auch das enttäuscht.

Die Folgen unter anderem seiner Initiative sind bereits zu spüren: internationale Boykott-Aufrufe, Absagen bei der Berlinale und beim Festival Transmediale, weil in Deutschland angeblich die Meinungsfreiheit nicht mehr gilt. Gegenseitige Ausschlussverfahren sind ebenso falsch wie fatal. Die in der Antidiskriminierungsklausel genannten Voraussetzungen haben ohnehin ihre Gültigkeit, neue Gesetze braucht es eigentlich nicht.

Als der Kultursenator seine Maßnahme im Dezember ankündigte, sprach er davon, dass die Kunst frei, aber nicht regellos sei. Auch das löste Unverständnis aus. Joe Chialo hat nun die Chance, sich anders in der schwierigen Situation eines zunehmend zerrütteten Kulturbetriebs verdient zu machen. Statt eine juristisch abgesicherte Klausel nachzureichen, könnte er Vorschläge dafür machen, wie die Spaltung zu überwinden ist und die gegnerischen Parteien zusammenbringen. Die Kultur ist der Ort, an dem der Austausch funktionieren sollte.

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