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Till Lindemann von Rammstein

© Universal Music

Till Lindemann läutet das neue Jahr ein: Draußen jaulen die Hyänen, drinnen klingelt die Lyrik

Rammstein-Sänger Till Lindemann veröffentlicht auf Instagram ein Gedicht und rechnet darin ab, vor allem mit den Medien.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Es gehört zum guten Ton erfolgreicher Popmusiker und anderer Stars, sich in den sozialen Medien bei den Fans zu bedanken oder, aus aktuellem Anlass, ihnen ein gutes neues Jahr zu wünschen. Rammstein-Sänger Till Lindemann macht da keine Ausnahme. Bei Instagram hat er jetzt in einer Story geschrieben: „An alle, die bei mir sind und bei mir waren. Ich wünsche viele GUTE Jahre.“

Dabei hätte er es bewenden lassen können – Lindemann aber reicht das nicht.

Was gelogen wird, ist wahr

Till Lindemann in „Aus Rot wird braun“

An seinen Dank und Neujahrsgruß hat er ein Gedicht mit dem Titel „Aus Rot wird Braun“ gehängt, eine Mischung aus Anklage und Abrechnung. Es gilt primär denjenigen, die ihm im Sommer des vergangenen Jahres sexuellen Missbrauch vorwarfen und der Frage nachgingen, wie junge Frauen bei Rammstein-Konzerten im speziellen und in der Musikindustrie im allgemeinen diskriminiert werden.

Weiter, immer weiter

„Gestiefelt laufen sich die Wege / Laut der Vergangenheit entgegen“, so beginnt das zweistrophige Gedicht: „Was man da spricht, da steht im Sinn/Auf wen man zeigt, gerichtet hin.“ Bei diesen Zeilen wird im Zusammenspiel mit dem Titel klar, wohin die lyrische Reise geht: Die Linken sind zu stiefeltragenden braunen Faschisten mutiert und wollten einem braven Popmusiker an den Kragen, so kann, nein muss man das wohl interpretieren.

Und weiter: Der vermeintliche mediale Meinungskorridor war in der Rammstein-Lindemann-Causa so eng geworden, wie sich das nicht einmal ein Uwe Tellkamp in seinen Wutreden vorstellen kann: „Was gelogen wird, ist wahr/Rot wird braun, nichts ist wie’s war/Schwarz auf Weiß steht es ja da/Was geschrieben wird ist wahr“. Oder auch, ganz knapp übersetzt: Medien lügen.

Die zweite Strophe deutet an, dass Lindemann sich schwer getroffen fühlte („Schwer fällt der Schnee/Tut nicht mehr weh“), als Begrabener gar. Dann wird noch einmal nachgelegt: „So viel Neid in hohlen Venen/Draußen jaulen die Hyänen“, (puh, Neid?) und konstatiert, dass „ihr“ gescheitert seid: „Es geht mir gut/Ja/Es geht weiter.“

Rammstein-Fans wird das natürlich freuen.

Nur, dass es weitergeht, das war sowieso zu erwarten nach dem Fortgang der Rammstein-Tour 2023, Lindemanns anschließender Solo-Tour und den Ankündigungen weiterer Rammstein-Konzerte für 2024.

Nach der Einstellung der Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft gegen ihn im vergangenen August tummelt sich Till Lindemann wie gehabt am liebsten in den konturlosen Grauzonen. Er stellt sich, nein, klar, nicht er: Sein lyrisches Ich stellt sich als Opfer einer medialen Hetzjagd dar. Seine Wahrheit ist die Kunst, wie künstlerisch wertvoll sie auch immer ist.

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