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Feld-Theater in Schöneberg

© DANIEL SEIFFERT

Und das war erst der Anfang: Fünf Jahre Feld-Theater

Am Schöneberger Winterfeldtplatz entfaltet sich der jüngste Theaternachwuchs – und hofft auf seine Zukunft.

Die Steine vor diesem Theater sind schon Millionen von Jahren alt, ein Vulkan hat sie vor Urzeiten dort ausgespuckt. Okay, ohne geologische Fachkenntnisse lässt sich nicht wirklich überprüfen, ob das stimmt. Trotzdem ein schöner Gedanke: dass im unsteten Berlin manches auch Bestand haben könnte. Quasi ewig!

Im FELD Theater für junges Publikum probt momentan die Gruppe Frl. Wunder AG die Produktion „Es ist… ein Stein!“ für Menschen ab vier Jahren. Ein hartes Stück Erdgeschichte, performt mit softem Touch. Schaumstoffmatten schieben sich wie tektonische Platten ineinander, knittriges Tuch formt sich zur Gletscherlandschaft – und ein niedlicher ferngesteuerter Findling geht auf mehrtausendjährige Reise.

Gabi dan Droste vom Feld-Theater für junges Publikum am Winterfeldtplatz

© Droste Marie

Wenn der Probeneindruck nicht täuscht, entsteht da eine sehr smarte Performance zum Thema Naturverhältnis. Extrem andockfähig für Kinder, schon deshalb, weil sie in ihrer Vorstellungswelt Materie mühelos zu beleben vermögen und auch den Perspektivwechsel dieser Performance mitgehen dürften: Wie schaut das Gestein eigentlich auf den Menschen?

Ein Fest für 15.754

Das FELD selbst hat eine vergleichsweise junge Geschichte. Es existiert seit fünf Jahren am Winterfeldplatz, in dem Haus, wo vormals das Puppentheater Hanswurst Nachfahren beheimatet war. Und wo 2018 beinahe die Scheinwerfer für immer ausgegangen wären. Gabi dan Droste, die künstlerische Leiterin des FELD, erinnert sich noch gut daran. Das Gebäude war von einem privaten Eigentümer gekauft worden, der dort auch einziehen wollte. In Berlin nichts Neues.

„Aber die gesamte Nachbarschaft ist dagegen aufgestanden, eine Bürgerinitiative hat sich gegründet, es gab eine Unterschriftenaktion“, erzählt dan Droste. Organisiert von Menschen, „die schon in den 1980er Jahren für den gesamten Kiez gekämpft hatten“, die damals eine Blockbebauung am Winderfeldtplatz verhinderten und stattdessen einen Park mit Spielplatz erstritten. Exakt 15.754 Unterschriften kamen 2018 binnen kürzester Zeit zusammen – und der Hausbesitzer lenkte ein. Zumindest für weitere fünf Jahre sollte hier ein Theater bestehen dürfen.

Das Theater im Dorf lassen

Die Berliner Theatermacherin Gabi dan Droste, die viel mit dem Tänzerchoreografen Martin Nachbar gearbeitet und beispielsweise das tolle intergenerationelle Projekt „Zusammen bauen“ an den Sophiensälen inszeniert hat, bewarb sich 2018 auf die Ausschreibung für das Haus (die Hanswurst Nachfahren wollten nicht weitermachen). Ihr Konzept: Zeitgenössisches Theater. Mit Künstler:innen und Gruppen aus der Freien Szene, die bereit sind, mal ihre Bubble zu verlassen und für junges Publikum zu inszenieren – und mit Communitys zu arbeiten.

Das FELD öffnet sich seit Beginn explizit auch der Nachbarschaft im Schöneberger Kiez, „der wie ein Dorf funktioniert“, so dan Droste. Mit Seniorenheim, Marktplatz, Schule, Kita und Kirche. Es gibt eine intergenerationelle Tanzwerkstatt und das „Coffee Cult“ im Erdgeschoss neben dem Theatersaal, wo Leute einfach auf einen Kaffee vorbeischauen und erfahren können, dass hier auch Kunst produziert wird. Alles sehr niederschwellig.

Polit-Rallye und Perspektivfragen

Gabi dan Droste macht keinen Hehl daraus, dass das FELD mit seinem zeitgenössischen Performance-Programm anfangs für viele, die noch Hanswurst Nachfahren kannten, gewöhnungsbedürftig war. Die Künstler:innen und Gruppen, die hier spielen – darunter Turbo Pascal, DieOrdnungDerDinge, Deter & Müller, Lea Martini – beschäftigen sich durchaus mit ambitionierten Themen, die auch sonst die Freie Szene beherrschen. Mit Theorien von Donna Haraway etwa, zu Fragen der Mitwelt (statt Umwelt) und neu gedachten Symbiosen zwischen Mensch und Tier (oder Stein).

So wie dan Droste selbst, die jetzt im Jubiläums-Monat September die musikalische Tanzpoesie „Aus/gefuchst“ auf den Spuren der Stadtfüchse inszeniert. Eine von drei Premieren zur Feier des fünfjährigen FELD-Bestehens – die dritte ist die Polit-Rallye „Wer wagt, gewinnt: Rettet das Theater!“, die als Mitmach-Parcours für alle durch den Kiez führen und fit für den Häuserkampf machen wird. Eine spielerische Reflexion der eigenen Standortgeschichte – und ein ernstgemeintes Dankeschön an 15.754 wackere Bürger:innen.

Es geht am FELD bei aller Gedankentiefe nie verkopft zu. Es sind Performances zum Mitfühlen oder Anfassen, nicht selten auch für blinde oder taube* Kinder konzipiert. Ein Ort, der in der Freien Szene tatsächlich noch gefehlt hat. Umso bedauerlicher, dass es hier keine langfristige Perspektive gibt. Zwar hat der Hauseigentümer inzwischen der Theaternutzung für weitere sechs Jahre zugestimmt (bis 2029 also). Aber das FELD hangelt sich derweil von einer zweijährigen Förderung zur nächsten. Zu wünschen wäre, dass dieses Haus am Winterfeldplatz steinalt wird.

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