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Auf der Leinwand ist Adam Driver in Venedig als Enzo Ferrari zu sehen, auf der Pressekonferenz unterstützt er am Donnerstag die Forderung der Streikenden.

© EROS HOAGLAND

Venedig Filmfestival (2): Adam Drivers Breitseite gegen Netflix

Der Schauspieler tritt auf dem Lido als Verteidiger der Gewerkschaften auf. Mit Michael Manns „Ferrari“ erfüllt das Festival auch sein Versprechen von gediegenem Starkino.

Von Andreas Busche

Er sei ein italienischer Nationalschatz, sagt Fiat-Chef Gianni Agnelli an einer Stelle in Michael Manns Biopic zu Enzo Ferrari. Worte, die man in Venedig sicher gerne hört, wo am Donnerstag der Film landet, an dem der amerikanische Regisseur nach eigener Aussage ein Vierteljahrhundert laboriert hat.

Mann, im Februar gerade achtzig geworden, hat seine Produktivität zuletzt etwas heruntergefahren, die Abstände zwischen den Filmen wurden immer länger – was nicht zuletzt wohl damit zu tun hat, dass sich seine Art von Kino im amerikanischen Studiosystem immer schwieriger finanzieren lässt. Auch darum ist seine Anwesenheit am Lido so willkommen: Manns Filme wurden nur selten auf Festivals gezeigt. Den Hollywood-Auteur nun im Kontext des internationalen Arthousekinos zu zeigen, zeugt von Wertschätzung.

Klare Worte von Adam Driver

„Ferrari“ besitzt bereits die Charakteristika eines Spätwerks, ein überaus agiles allerdings, das noch einmal Manns zentrales Motiv aufgreift: Männer in ständiger Bewegung, von ihrer Arbeit getrieben. Adam Driver als Enzo Ferrari ist dahingehend eine fast kontraintuitive Wahl, weil sich sein Spiel jeder äußeren Dynamik verweigert. Im Actionkino (das „Ferrari“ neben einer Charakterstudie eben auch ist) verkörpert er die Trägheit der Masse, was eine interessante Binnenspannung herstellt.

Dass Driver überhaupt auf dem Lido ist, hat mit einer Ausnahmegenehmigung für „Ferrari“ zu tun, weil die Macher des Films (siehe oben) keine Mitglieder in Hollywoods Produzentenallianz sind. Driver reist also nicht als Streikbrecher an, sondern fungiert in Venedig als bekanntester Unterstützer der Forderungen von Schauspiel- und Autoren-Gewerkschaft. Wenn eine kleine Firma wie die von „Ferrari“ die Bedingungen zu erfüllen bereit sei, fragt er auf der Pressekonferenz in die Runde, warum dann „aber ein großes Unternehmen wie Netflix und Amazon nicht?“.

Nach 25 Jahren hat Regisseur Michael Mann seinen Ferrari-Film realisiert. Das Biopic wird kurz vor Weihnachten in die Kinos kommen.

© Venedig Presse

Mann konzentriert sich in „Ferrari“ mit seinem Autorenteam Troy Kennedy Martin und Brock Yates auf ein Schlüsseljahr im Leben des Firmengründers: 1957 liegt die Ehe mit seiner Frau und Geschäftspartnerin Laura (Penélope Cruz) in Scherben, ihr Sohn Dino ist im Jahr zuvor gestorben. Und die Firma steht kurz vor dem Konkurs. „Jaguar nimmt an Rennen teil, um Sportwagen zu verkaufen“, sagt der ehemalige Fahrer Enzo über den britischen Konkurrenten. „Ich verkaufe Sportwagen, um zu rennen.“

Enzo Ferrari ist ein fehlerhafter Held

Dieser Leidenschaft steht sein kompliziertes Privatleben entgegen. Enzo Ferrari ist ein fehlerhafter Held: Die Presse nennt ihn wegen der vielen Todesfälle in seinem Rennstall den „Witwenmacher“, seine langjährige Geliebte Lina (Shailene Woodley) stellt ihm ein Ultimatum, die Vaterschaft für ihren gemeinsamen Sohn Pietro anzuerkennen. Der Ton von „Ferrari“ ist so gedämpft wie die ausgebleichten Bilder.

Von einer Hagiografie unterscheidet sich der Film schon deshalb, weil Cruz und Woodley zu ebenbürtigen Partnerinnen an der Seite von Driver werden. „Ferrari“ ist domestiziertes Männerkino: Alles dreht sich um das „Metall“, in dem Enzo seine Fahrer in Rennen auf Leben und Tod schickt, aber diesem Stahlkörper wohnt auch eine selbstverschuldete Tragik inne. Das ist auf klassische Weise altmodisch, ohne restaurativ zu wirken.

Comeback eines gefallenen Regisseurs

Ebenfalls auf der Höhe der Zeit wähnt sich der französische Regisseur Luc Besson – in den 1980er Jahren der Miterfinder des Cinéma du look – mit „Dogman“. Leider erweist sich die Geschichte um einen hundevernarrten „Incel“ (Caleb Landry Jones), der sich von den Menschen – sowie der einzigen Frau, die ihm je etwa bedeutet hat – abwendet und seinen vierbeinigen Freunden in einem verlassenen Fabrikgebäude lebt, als völlig tone deaf für die problematischen Zwischentöne der Geschichte.

Caleb Landry Jones in “Dogman“ von Luc Besson.

© Shana Besson

Douglas wird zum Crossdresser, weil er sich nach lebenslangen Erniedrigungen und körperlichem Missbrauch in seiner Haut nicht mehr wohlfühlt. Allerdings verbringt „Dogman“ mehr Zeit mit dem Ablegen – beziehungsweise Abschminken – seiner Schutzidentität, als seine neuen Freiheiten als andere Person zu zeigen. Stattdessen begibt Douglas sich, stellvertretend für alle vom Leben Gepeinigten, auf einen blutigen Rachefeldzug.

Dass Besson im Löwen-Wettbewerb antreten darf, hat im Vorhinein für Kritik an Festivalleiter Alberto Barbera gesorgt. Zwar wurde der Filmemacher im vergangenen Juni nach einem langwierigen Prozess vom obersten französischen Gericht in allen Anklagepunkten vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen; allerdings haben mindestens drei weitere Frauen Besson des sexuellen Missbrauchs bezichtigt.

Anscheinend stellt Venedig eine gute Bühne für das Comeback gefallener Regisseure. Wobei „Dogman“ in jeder Hinsicht unterstreicht, dass der Regisseur von „Subway“ und „Das fünfte Element“ seine Pop-Sensibilität wie auch das Gespür für die Camp-Oberflächen des Genrekinos verloren hat. Größer könnte die Diskrepanz am zweiten Festivaltag kaum ausfallen.

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