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Til Schweiger im September 2022 in Zürich.

© Getty Images/ZFF/Thomas Niedermueller

Vorwürfe gegen Til Schweiger : Hat die Filmbranche nichts gelernt?

50 Filmschaffende werfen „Manta Manta“-Regisseur Til Schweiger missbräuchliches Verhalten am Set vor. Der streitet die Anschuldigungen ab. Das alles klingt seltsam vertraut.

Von Andreas Busche

Für den Karriereeinstieg kann ein Job in einem Film von Til Schweiger das große Los bedeuten. Oder, wie man seit der Enthüllungsgeschichte des „Spiegel“ vom Samstag befürchten muss, einen Albtraum.

Herumbrüllen am Set, Beleidigungen, Alkoholkonsum – das sind Verhaltensformen, die im Jahr 2023 und nach einer breit geführten gesellschaftlichen Debatte um Machtmissbrauch in der Arbeitswelt, geradezu anachronistisch klingen.

Hatte denn nicht besonders die Filmbranche mit ihren prekären Beschäftigungsverhältnissen nach einer ganzen Flut von MeToo-Vorwürfen Besserung gelobt? Im „Spiegel“ heißt es nun, dass die Eskapaden von Til Schweiger am Drehort ein offenes Geheimnis seien. Auch das klingt seltsam vertraut.

Taugt Schweiger noch zum gesellschaftlichen Vorbild?

Und wieder hat man den Eindruck, nur über einen Einzelfall zu reden und nicht von den Versäumnissen einer ganzen Branche. Wobei es sich bei dem 59-jährigen Schauspieler, Regisseur und Produzenten auch nicht um irgendeinen Branchenvertreter handelt.

Schweiger gehört seit über zwanzig Jahren zu den kassenträchtigsten Namen im deutschen Kino, sein aktueller Film „Manta Manta – Zwoter Teil“ verzeichnet trotz verheerender Kritiken bereits über eine Million Zuschauer.

Es ist höhnisch, wenn man den Mut der Leute ignoriert, die sich das in ihren Positionen überhaupt nicht leisten können. Die Angst haben, ihren Namen zu sagen. 

Nora Tschirner, Schauspielerin

Eigentlich könnte er mit seinem Status als gesellschaftliches Vorbild fungieren: Die 2015 gegründete Til Schweiger Foundation setzte sich für geflüchtete Kinder ein und unterstützte Projekte in der Ukraine.

Es gilt die Unschuldsvermutung

Zwar ist bisher nicht bewiesen, dass Til Schweiger sich tatsächlich etwas hat zuschulden kommen lassen. Aber die über 50 Personen, von denen in der „Spiegel“-Recherche die Rede ist, deuten darauf hin.

Auch Nora Tschirner, die vor über zehn Jahren mit Schweiger in „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ gespielt hat, inzwischen aber lieber mit Karoline Herfurth dreht, sagt in ihrem Freitag auf Instagram veröffentlichten Video, dass an dem „Spiegel“-Artikel „sehr viel stimmt“ – ohne allerdings konkret zu werden. Beschwert hat sich bisher trotzdem niemand.

Mit „Manta Manta – Zwoter Teil“ ist Til Schweiger wieder ein Publikumserfolg gelungen.
Mit „Manta Manta – Zwoter Teil“ ist Til Schweiger wieder ein Publikumserfolg gelungen.

© Constantin Film/Bernd Spauke

Tschirner bis jetzt nicht, aber auch niemand bei den Studios Warner Deutschland und Constantin, die jahrelang mit Schweigers Produktionsfirma gearbeitet haben. Constantin streitet die Vorwürfe ab, bezeichnet sie in einer Antwort an den „Spiegel“ in Teilen auch als „schlicht falsch“. Kein Wunder, dass die Betroffenen es da vorziehen, anonym zu bleiben.

Tschirner wirft den Verantwortlichen darum vor, dass man „damit auch den Mut der Leute ignoriert, die sich das in ihren Positionen überhaupt nicht leisten können. Die Angst haben, ihren Namen zu sagen“.

Das Desinteresse an einer Aufklärung der Vorwürfe – beziehungsweise am Schutz der Filmcrew – lässt nur den Schluss zu, dass Fehlverhalten am Arbeitsplatz im Zweifel immer noch gedeckt wird, solange die wirtschaftlichen Interessen überwiegen. Das trifft vermutlich nicht nur auf die Filmindustrie zu.

Hälfte der befragten Filmschaffenden gibt an, Diskriminierung erfahren zu haben

So stellt sich die Frage, welche Rolle die 2018 gegründete Vertrauensstelle Themis spielt, an die sich Betroffene von sexueller Belästigung und Gewalt anonym wenden können, solange die Produktionsfirmen nicht zu stärkeren Kontrollen verpflichtet werden. In einer ersten Studie gab die Hälfte der 3200 befragten Filmschaffenden damals zu, bei der Arbeit schon einmal Diskriminierung erfahren zu haben. 57 Prozent der Betroffenen behielten dieses Erlebnis für sich.

Das Bewusstsein der eigenen Verantwortung ist auch sechs Jahre nach MeToo nicht sehr ausgeprägt. Gerüchte um Til Schweigers schwierigen Umgangston kursieren schon länger, bisher scheint das allerdings niemanden interessiert zu haben.

Sollten etwaige Alkoholprobleme, wie der „Spiegel“-Artikel andeutet, die Ursache sein, stünde Constantin schon aus menschlichen Gründen in der Verantwortung, seinen Star vor sich selbst zu schützen. Und wenn diese Einsicht nicht freiwillig kommt, gibt es im hochsubventionierten deutschen Kino noch ein paar finanzielle Hebel, um notfalls nachzuhelfen.

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