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 Die Schriftstellerin Lana Bastašić. Sie wurde 1986 in Zagreb geboren.

© S. Fischer Verlag/Radmila Vankoska

Wegen Schweigen zu Israels Vorgehen im Gaza-Krieg: Autorin Lana Bastašić verlässt den S. Fischer Verlag

Die in Zagreb geborene und in Bosnien aufgewachsene Schriftstellerin wirft ihrem Verlag „systemische und systematische Zensur“ vor und dass er „moralisch fragwürdig“ agiere.

Es ist zunächst ein üblicher, auf den ersten Blick nicht besonders erwähnenswerter Vorgang: Eine Autorin verlässt ihren Verlag, zudem eine Autorin, die jetzt in Deutschland – anders als ihr Verlag – nicht über die Maßen bekannt ist. Sie heißt Lana Bastašić, wurde 1986 in Zagreb als Kind serbischer Eltern geboren und wuchs nach dem Zerfall Jugoslawiens in Bosnien auf; ihr Debütroman „Fang den Hasen“ wurde 2021 vom S. Fischer Verlag in einer deutschen Übersetzung veröffentlicht, mit „Mann im Mond“ folgte ein weiterer Band, dieses Mal mit Erzählungen.

Bemerkenswert wird der Vorgang, weil er geradezu repräsentativ für die Zeit nach dem 7. Oktober und die Spaltung des Kulturbetriebs ist. Bastašić trennt sich von S. Fischer nämlich, und das mit viel Aplomb in den sozialen und herkömmlichen Medien, weil sie es geradezu als ihre „moralische und ethische Pflicht“ betrachtet. So schreibt sie das auf ihrem Instagram-Account. Ihr Verlag habe es nicht nur versäumt, sich zum „anhaltenden Genozid“ in Gaza zu äußern, sondern sich auch „zur systemischen und systematischen Zensur in Deutschland zu verhalten.“

Ein Statement des Verlags, erschienen nach dem 7. Oktober, dient ihr als Beweisführung. Darin heißt es, dass der Verlag mit seinen Büchern „über Kontinuitäten des Antisemitismus“ aufklären wolle und dem „neuen antisemitischen und rassistischen Denken und Handeln entgegentreten“ wolle: „Das gilt nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in besonderer Weise.“

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Bastašić ist das zu wenig, sie findet dieses Statement „moralisch fragwürdig, politisch unverantwortlich und intellektuell faul“. Denn es ignoriere das Leid der Palästinenser, setze jeden einzelnen Juden mit Israel gleich und delegiere den Antisemitismus in den Mittleren Osten – anstatt vor der eigenen Haustür zu kehren und sich in Deutschland selbst mit dem Problem des Antisemitismus auseinanderzusetzen.

Mit letzterem meint sie: Dass es in Deutschland zahlreiche jüdische Künstler und Künstlerinnen, Autoren und Autorinnen gegeben habe, die angeblich zum Schweigen gebracht worden seien und die ihre Jobs oder Aufträge verloren hätten. Als „schlechte Juden“ seien diese von „Nachkommen der Nazis“ diffamiert worden, da habe S. Fischer offensichtlich versagt. Namen nennt sie keine.

Es ist verblüffend, was Bastašić in die zwar recht allgemein gehaltenen, aber gut gemeinten Zeilen des S. Fischer Verlags alles hineinliest. Verstehen lässt sich ihr Furor und die Trennung von ihrem deutschen Verlag besser vor dem Hintergrund eines Artikels, den sie Ende Oktober im „Guardian“ geschrieben hatte.

Darin rechnete sie mit den deutschen Verhältnissen und der unbedingten Solidarität mit Israel nicht zuletzt von staatlicher Seite ab, wobei sie auch auf ihre eigene Familiengeschichte und die Kriege in Jugoslawien verwies.

Das deutsche „Nie wieder“ führt sie zum Beispiel an. Dieser Begriff sei nur eine „Phrase“, weil die Welt nun einmal vergesse, so wie sie zum Beispiel Bosnien vergessen hat. Und so wie „bigger numbers and darker stories“ wiedergekommen seien: der Gaza-Streifen, you name it, die vermeintlichen „ethnischen Säuberungen“ dort. Und weiter: In Deutschland werde schon als Antisemit bezeichnet, wer Sympathien mit den Palästinensern habe, allein das Aussprechen des Wortes „Palästina“ würde hier Probleme bereiten, so Bastašić.

Am Ende bleibt einmal mehr die Verwunderung darüber, dass hier eine Schriftstellerin, und zwar ausgerechnet eine Schriftstellerin, sehr leichtfertig mit Worten wie „Genozid“, „ethnischen Säuberungen“ und „Zensur“ umgeht. Europa lasse „uns immer noch Platz, um aus unserer Blase herauszukommen“, schrieb Lana Bastašić vergangenen Sommer im Tagesspiegel. Das würde sie vermutlich nicht noch einmal schreiben.

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