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© Thomas Aurin

Welche Religion gilt im Jenseits?: „Der geflügelte Froschgott“ im Deutschen Theater

In einem Monolog in zweifacher Ausführung lässt Ingrid Lausund einen Man und eineFrau Gedanken über das Jenseits anstellen. Am Ende gibt es Bier und Brezeln für alle.

Tja, wie verhält sich das eigentlich im Jenseits? Existieren da verbindliche Maßstäbe – im Sinne einer „über allem stehenden Supermacht“? Und falls ja: „Nach welchen Kriterien fände man denn dann heraus, welche Religion die wäre, die im Jenseits wirklich gilt?“ Das fragt sich die Alleinakteurin oder der Alleinakteur in Ingrid Lausunds neuem Stück „Der geflügelte Froschgott“. Der Grund für die besagte Person, 25 Seiten lang maximal pragmatisch um schwerwiegende Transzendenzfragen zu kreisen, ist dabei genauso ausdrücklich aus dem Alltagsleben gegriffen wie die ganze Figur: Sie hat vor einigen Jahren ihren geliebten Lebenspartner verloren und fragt sich seither täglich, wie – und wo – er oder sie sich wohl befindet. Himmel oder Hölle? Darunter geht`s bekanntlich nicht, wenn man von den letzten Dingen angeweht wird.

Lausund hat den Monolog eigentlich zweimal geschrieben – mit minimalen Abweichungen; je nachdem, ob es sich bei dem verstorbenen Menschen um einen Mann oder eine Frau handelt. Ersterer taucht in der Erinnerung am Hochzeitstag etwa mit einem Rosenstrauß in der Stamm-Pizzeria auf, letztere überrascht die geehelichte Person liebevoll mit einem, nun ja, Akkuschrauber. Der Regisseur FX Mayr trifft in seiner Uraufführung in den Kammerspielen des Deutschen Theaters die gute Entscheidung, beide Versionen zu verschmelzen, ihren Stereotypengehalt zu minimieren und den Text auch im Duett performen zu lassen. Das sorgt für willkommene Temperatur- und Temperamentswechsel im neunzigminütigen Abendgeschehen, dessen Textgrundlage man dann doch sehr schnell verstanden hat.

Ingrid Lausund schreibt auf Pointe

Hier spricht ein absichtsvoll fachdiskursfremdes Ich, das praktisch aus jeder Pore den Satz herausatmet: Ich bin bewusst naiv – aber nicht dumm! Ein Ich, das seine Argumentationsketten über Gott und die Welt umso zupackender aus dem Alltagsverständnis heraus entwickelt und jedes Abstraktum, das dabei temporär zu entwischen droht, zuverlässig mit dem Einkaufsbeutel wieder einfängt. Hier werden Transzendenzgedanken verworfen, weil einem – Stichwort Lieblingspizzeria – das Vorstellungsvermögen fehlt, wie eine „transzendierte Pizza“ aussehen sollte. Dass ein Schöpfer für seine Leistungen eine gewisse Anerkennung erwartet, leuchtet diesem Ich dafür unmittelbar ein – schließlich will es ja bereits für seine „selbstgetöpferte Obstschale“ belobigt werden.

Statt zu eigenen neuen kommt es mithin eher zur niedrigschwelligen Bestätigung unbedingt  bejahenswerter alter Einsichten wie derjenigen, die Theaterfans schon von Gotthold Ephraim Lessing kennen: Keine Religion steht über der anderen. Ingrid Lausund, die für ihre unter dem Pseudonym Mizzi Meyer verfassten Drehbücher zur Fernsehserie „Der Tatortreiniger“ zweimal den Grimme-Preis erhielt, schreibt ausdrücklich auf Witz und Pointe. Wer ihre Humorsorte nicht teilt – im Premierenpublikum halten sich die Schlapplacherinnen und Schlapplacher mit den keine Miene Verziehenden schätzungsweise die Waage – hat es mit dem „Geflügelten Froschgott“ nicht leicht.

Auch hier hilft, dass Regisseur FX Mayr den Abend weitestmöglich aus realistischen Anmutungen entrückt und die Duettpartner Regine Zimmermann und Bernd Moss zum Beispiel in spektakulären, zitronengelb angestrahlten Reifrock-Outfits (Kostüme und Bühne: Korbinian Schmidt) auftreten lässt. Daran, dass die geforderte Klaviatur von beiden Ensemblemitgliedern souverän beherrscht und bespielt wird, bestand ohnehin nie ein Zweifel. Zwischen den Szenen sorgt zudem ein choreografisches Quartett für Abwechslung: eine Art leitmotivisches Transzendenz-Intermezzo. Gut meint es der Abend mit seinen Besucherinnen und Besuchern allemal: Kurz vor Schluss gibt`s Bier und Brezeln für alle.

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