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In der New Yorker Zentrale der UN. Yad-Vashem-Leiter Dani Dayan eröffnet eine Ausstellung mit dem Buch der Namen von Holocaust-Opfern.

© imago/Pacific Press Agency/IMAGO/Lev Radin

Wirbel um Yad Vashem: Soll Leiter Dani Dayan gehen?

Israels Regierung, heißt es, will den derzeitigen Leiter der Holocaust-Gedenkstätte aus dem Amt drängen. Unter liberalen Kräften formiert sich Widerspruch

In der polarisierten Stimmung, die dieser Tage in Israel herrscht, ist offenbar nicht einmal die ehrwürdige Holocaustgedenkstätte Yad Vashem vor politischer Einmischung geschützt. Berichten israelischer Medien zufolge soll die rechts-religiöse Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwägen, den Leiter der Gedenkstätte, Dani Dayan, aus dem Amt zu entfernen. Ersetzen soll ihn demnach Keren Barak, eine frühere Abgeordnete der Likudpartei Netanjahus.

Der israelischen Zeitung „Haaretz“ zufolge soll Israels Bildungsminister Yoav Kish gegenüber dem Yad-Vashem-Leiter in einem Brief vor wenigen Tagen harte Vorwürfe geäußert haben: So soll Dayan unbefugten Personen die Teilnahme an Sitzungen des Vorstands erlaubt und insgesamt sein Amt nicht ordnungsgemäß ausgefüllt haben. Dayan wies die Vorwürfe entschieden zurück.

Manche vermuten indes, dass die wahren Motive der Regierung anderswo zu finden sind: Einem Fernsehbericht zufolge ärgerte sich die Gattin des Ministerpräsidenten, Sara Netanjahu, darüber, dass Dayan die Sängerin Keren Peles zu einer Veranstaltung in der Gedenkstätte eingeladen hatte. Peles war zuvor auf Protesten gegen die geplante Justizreform der Regierung aufgetreten. Sara Netanjahu wies die Berichte zurück: Sie habe Keren Peles bis zu deren Auftritt in Yad Vashem gar nicht gekannt.

Andere Kommentatoren glauben, es ist die Nähe Dayans zu dem früheren Justizminister Gideon Sa’ar, dem Vorsitzenden der heutigen Oppositionspartei Neue Hoffnung, der die Regierung stört. Vor seiner Ernennung zum Leiter Yad Vashems 2021 hatte sich Dayan für Sa’ars Partei um einen Sitz im Parlament beworben.

Auf den ersten Blick scheint es überraschend, dass der 67-Jährige den Unmut der Regierung auf sich gezogen haben soll. Denn Dayan, seit 2021 im Amt, ist weit entfernt davon, ein Linker zu sein: Er lebt in einer jener Siedlungen im Westjordanland, die der Großteil der internationalen Gemeinschaft, darunter auch Deutschland, als völkerrechtswidrig einstuft. Ende der achtziger Jahre war er in der religiös-nationalistischen Tehiya-Partei aktiv; und zwischen 2007 und 2013 saß er dem Yesha-Rat vor, der Dachorganisation israelischer Siedler. Einige Kommentatoren kritisierten 2021 deshalb seine Ernennung zum Leiter der Gedenkstätte und warnten vor der Politisierung dieses wichtigen Amtes – grundlos, wie sich herausgestellt hat.

Wie groß der Respekt ist, den Dayan in den vergangenen zwei Jahren gesammelt hat, zeigte sich an den Reaktionen, die den Berichten über seinen womöglich drohenden Rauswurf folgten. „Mit großer Sorge beobachten wir die jüngsten Angriffe des israelischen Bildungsministers auf Dani Dayan“, schrieben 123 Holocaustforscher aus aller Welt am Wochenende in einem offenen Brief. Dayan „dient der Institution auf herausragende Weise und ermöglicht es Yad Vashem damit, seinen unabhängigen und überparteilichen Charakter zu erhalten“.

Auch die Sondergesandte des US-Außenministeriums für Holocaust-Fragen, Ellen Germain, die US-Sondergesandtin zur Bekämpfung von Antisemitismus, Deborah E. Lipstadt, sowie die Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus, Katharina von Schnurbein, stärkten Dayan öffentlich den Rücken. In einer Mitteilung auf X, vormals Twitter, unterstrich Schnurbein die „entscheidende Bedeutung“ der „Unabhängigkeit der Führung“ von Yad Vashem.

Am Montag schien es, als bliebe die Kritik nicht ohne Wirkung: Ein Fernsehbericht, der sich auf ungenannte Quellen stützte, legte nahe, das Thema sei „vom Tisch“. Wie auch immer die Angelegenheit jedoch ausgehen mag: Dem ohnehin miserablen Ansehen der israelischen Regierung im Ausland dürfte sie nicht zuträglich sein.

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