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Christina Brabetz ist seit 2019 Konzertmeisterin der Komischen Oper in Berlin.

© Neda Navaee

Zielstrebige Konzertmeisterin: Christina Brabetz Weg zur Komischen Oper

Von Namibia zur Komischen Oper in Berlin: Die Geigerin Christina Brabetz erzählt von ihren Zielen und dem Leben im Orchestergraben. Ein Porträt.

Christina Brabetz wusste früh, was sie will. Spätestens mit acht Jahren war sie sich ziemlich sicher, dass sie ihr Leben lang Geige spielen wolle. Zwar hätte sie in dem Alter noch keinen konkreten Berufswunsch formulieren können, aber sie habe gewusst, dass Musik ihre Leidenschaft sei.

„Musik hat mich sehr fasziniert und ich wollte mehr Zeit damit verbringen.“ Sie spricht nüchtern und analytisch von ihrem Kindheitstraum, als wäre sie damals bereits am Rande des Schulabschlusses gewesen – und nicht im Grundschulalter.

Seit der Spielzeit 2019/2020 ist Brabetz erste Konzertmeisterin der Komischen Oper Berlin. Geboren wurde die 29-Jährige in Windhoek, Namibia. Als sie dies erzählt, sitzt sie im verlassenen Foyer des Opernhauses. Das lange, hellbraune Haar hängt ihr offen über die Schultern, der Saum ihrer Jeans ist zerfranst, sie trägt eine hellbraune Lederjacke und weiße Turnschuhe. Lastwagen vor dem Gebäude kündigen den bevorstehenden Umzug der Komischen Oper ins Schillertheater an.

Zielstrebig geht Brabetz durch ihr Leben. Sie spielt Geige, seit sie fünf Jahre alt ist. Mit acht zieht sie mit ihrer Familie nach Kapstadt und nimmt Unterricht bei einem der renommiertesten Geigenlehrer Südafrikas, Jack de Wet. Er war damals bereits über 70 und sie besuchte ihn zweimal pro Woche mit ihrer Mutter für den Privatunterricht im Altenheim. „Gerade diese Zeit hat mich als Geigerin stark geprägt“, sagt sie.

Noch in Kapstadt hatte sie mit elf ihr Solodebüt beim Hugo Lambrechts Concerto Festival. Mit 13 zog sie nach Wien. Dort begann sie neben der Schule ein Vorstudium in Musik. 2010 gewann sie den renommierten Tonali Musikwettbewerb. „Dieser Preis hat mein Leben stark verändert, vor allem wegen der Folgekonzerte“, erzählt sie. So spielte sie 2012 mit der Brünner Philharmonie im Wiener Konzerthaus. Danach sei es nicht mehr nötig gewesen, für Wettbewerbe vorzuspielen, sagt sie.

Christina Brabetz spielt Geige seit sie fünf Jahre alt ist.

© Neda Navaee

Mit 19 Jahren zog sie für ihr Musikstudium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler nach Berlin, wo sie bei Kolja Blacher lernte. Nach ihrem Masterabschluss hing sie ein zweijähriges Konzertexamen an, das sie Ende 2021 abschloss. „Ich habe viel gesehen, aber Berlin ist meine Lieblingsstadt“, erzählt sie. Durch ihr Studium und ihren ersten Job sei es für sie der Ort, wo alles angefangen habe.

Konzertmeisterin als Gegenentwurf zur Einsamkeit

Während ihres letzten Master-Semesters begann Brabetz sich mehr Stabilität und Regelmäßigkeit im Leben zu wünschen. „Das Leben als Solistin kann zeitweise sehr einsam sein. Auf Dauer konnte ich mir diesen Karriereweg deshalb nicht mehr vorstellen. Ich wusste, später im Leben möchte ich Konzertmeisterin sein und plötzlich hatte ich das Gefühl: Jetzt ist vielleicht der richtige Zeitpunkt.“

Wie recht sie damit hatte, sollte sie kurz darauf erfahren. Sie gewann ihr erstes Probespiel und begann 2019 als Konzertmeisterin an der Komischen Oper. Kurz darauf brachte die Corona-Pandemie die Welt zum Stillstand, doch dank ihrer Intuition hatte die Musikerin zu diesem Zeitpunkt eine feste Stelle. „Es war eine schwierige Zeit für die Musikwelt. Für mich war es fantastisch, eine Aufgabe zu haben“, erzählt sie.

Brabetz hatte zuvor noch nie im Orchester gearbeitet. Als Konzertmeisterin führt sie das Orchester nun an. „Das Studium bereitet einen nicht auf diesen Beruf vor. Ich selbst muss da auch noch hineinwachsen“, sagt sie. Zu ihrer Arbeit gehöre viel Kommunikation, mit den Dirigenten und dem Orchester, aber auch solistische und kammermusikalische Elemente, wenn sie Soli oder Duette mit anderen Stimmführern spiele. „Es wird nie langweilig. Ich muss jede Sekunde wach sein und lerne immer wieder Neues hinzu“, sagt sie.

Inspiriert von der Suche nach der perfekten Balance

An der Oper stehen, im Gegensatz zu einem Konzerthaus, die Darsteller:innen im Vordergrund. Sie tragen ausgefallene Kostüme und ziehen die Blicke des Publikums auf sich. Das Orchester sitzt hingegen im Orchestergraben, für die meisten Zuschauer:innen unsichtbar. „Ich hatte mir nie vorgestellt, dass ich im Opernhaus spielen würde“, sagt Brabetz. Nun freue sie sich über ihre günstige Position im Graben, von der aus sie die Bühne gut sehen könne: „Ich könnte mir mein Leben ohne die Oper gar nicht mehr vorstellen.“

Neben ihrem Job spielt Brabetz noch immer als Solistin und Kammermusikerin. Im Gegensatz zu ihrer Studienzeit habe sie nun aber die Freiheit, sich Projekte auszusuchen, die ihr am Herzen lägen. „Die Stelle hat mir die perfekte Balance im Leben gegeben“, sagt sie. Am 21. Mai spielt sie mit Han-Wen Jennifer Yu im Piano Salon Christophori. Die Stücke habe sie sich selbst ausgesucht: An diesem Abend spiele sie nur ihre Lieblingsstücke.

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