zum Hauptinhalt
FINAL CUT OF THE DEAD: Make up-Artist Nadia (Bérénice Bejo) und die Schauspieler:innen Ava (Matilda Lutz) und Raphaël (Finnegan Oldfield)

© Lisa Ritaine

Zombiekomödie „Final Cut of the Dead“: Liebeserklärung an das Kunstblut

Michel Hazanavicius’ durchgeknallte Komödie über das Filmemachen hat ein Herz für die vielen ambitionierten C-Regisseure und ihre Leidenschaft für das Kino.

Am Anfang kommt man sich schon ein bisschen verarscht vor. „Final Cut of the Dead“ geht los, und – man sieht ein Drehteam bei der Arbeit. Ein Zombie-Film soll es werden, ein B-Movie. Höchstens. Die Effekte sind billig, die Blutfontänen gewaltig, darstellerische Fähigkeiten quasi nicht vorhanden. Der Regisseur rastet aus, schreit seine Hauptdarstellerin an und haut ihrem Filmpartner eine runter. Sie sollen endlich echte Emotionen liefern. Dafür ist ihm jedes Mittel recht. Aber bald schon bekommt es das Team mit „echten“ Zombies zu tun, willentlich heraufbeschworen vom Regisseur im Dienst der Filmkunst. Und die Kamera läuft immer mit, ganz ohne Schnitt.

Remake eines japanischen Low-Budget-Hits

Da sitzt man im Kino und denkt: Das kann doch nicht Michel Hazanavicius’ Ernst sein! Was hat sich der oscarprämierte Filmemacher von „The Artist“ bloß bei dieser haarsträubend amateurhaften Fake-Doku mit Untoten gedacht? 35 Minuten lang hält Hazanavicius dieses Debakel von Film durch. Dann ist der Spuk vorüber – und der Film fängt von Neuem an. Diesmal einen Monat vor Beginn der Dreharbeiten. Regisseur Rémi (Romain Duris), der gerade noch vor der Kamera so eindrucksvoll die Fassung verloren hat, bekommt den Auftrag zu dem halbstündigen Zombie-Film. Das Remake des japanischen Low-Budget-Hits „One Cut of the Dead“ soll live übertragen werden, als eine durchgehende Plansequenz. 

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Das, was sich da gerade so quälend unlustig auf der Leinwand entfaltet hat, war also ein Film-im-Film und als solcher die Neuauflage eines tatsächlich existierenden Kultfilms aus Japan. Vor lauter Meta-Ebenen kann einem bei „Final Cut of the Dead“ ganz schön der Kopf schwirren.

Hazanavicius treibt das Spiel mit den Referenzen auf die Spitze, indem er sich selbst indirekt mit einbezieht. Seine Partnerin, die Schauspielerin Bérénice Bejo, übernimmt die Rolle von Rémis Frau. Hazanavicius’ Tochter Raïka wiederum spielt die Tochter der beiden. Sie hegt Regie-Ambitionen, hat eigentlich keinen Draht mehr zu ihrem Vater, kommt ihm während der Dreharbeiten jedoch wieder näher. So gelingt es Hazanavicius, mitten hinein in das Tohuwabohu eine Familiengeschichte zu skizzieren.

Die Zombies kommen. Philippe (Grégory Gadebois) und Ava (Matilda Lutz) in „Final Cut of the Dead“.

© Lisa Ritaine

Der ganze Quatsch ergibt zunehmend Sinn. Je näher der Drehtermin rückt, desto mehr treten die Defizite dieses Drehteams zutage. Nicht nur das Nervenkostüm von Regisseur Rémi wird dünner, auch der überzogene Kunstanspruch des divenhaften Hauptdarstellers (Finnegan Oldfield) kommt zur Geltung, genauso wie die latente Aggressivität des Tontechnikers (Raphaël Quenard) und die völlige Ahnungslosigkeit des Social-Media-Stars (Matilda Lutz), die sich als Schauspielerin versucht.

Hazanavicius inszeniert diesen Mikrokosmos der Eitelkeiten und Unzulänglichkeiten als Hinter-den-Kulissen-Komödie mit einem gänzlich veränderten Look. Alles wirkt nun deutlich zurückgenommener: Die Kamera wackelt nicht mehr, die Farben sind von grell-saturiert auf Normalmaß gedimmt, auch die Musik läuft auf der Tonspur nicht länger Amok. Vor allem aber: „Final Cut of the Dead“ wird tatsächlich originell.

Manche Gags geraten sogar hintergründig. So versucht Regisseur Rémi vergeblich, die Dolmetscherin (Yumi Narita) davon abzuhalten, der japanischen Produzentin (gespielt von Yoshiko Takehara, die auch im Original dabei war) eine verbale Entgleisung zu Pearl Harbor zu übersetzen. Zum großen Finale jedoch setzt Hazanavicius voll auf Situationskomik, um nicht zu sagen: brachialen Slapstick. 

Die 35 Minuten Echtzeit-Chaos laufen noch einmal durch, diesmal jedoch mit dem passenden „Making-of-Material“. Endlich sieht man, warum die Darsteller:innen den Faden verlieren, die Kamera auf den Boden fällt und die entscheidende Verfolgungsjagd außerhalb des Bildes stattfindet. Höchste Eskalationsstufe – und „Final Cut of the Dead“ kommt endlich dort an, wo Hazanavicius von vornherein hinwollte: Weniger zum Trash-Kino als vielmehr zu einer Liebeserklärung an alle Filmschaffende, die auch für den letzten Mist noch vollen Einsatz zeigen und das Kunstblut mit viel Herzblut vergießen. 

Deswegen muss die erste halbe Stunde auch eine einzige Zumutung sein. Wie der Regisseur dieses Fiasko dem Publikum jedoch vollkommen unkommentiert und ungeschnitten zumutet, zeugt von künstlerischer Chuzpe. Wer das Kino liebt, wird am Ende Mühe haben, dieses so bekloppte wie leidenschaftliche Hohelied auf das Scheitern nicht doch ins Herz zu schließen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false