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VideoVirus von AA Bronson + General Idea.

© Anna Bauer

Zum Welt-Aids-Tag: Besuch bei General Idea, den Vorreitern in Sachen Entstigmatisierung

Wie knallig man in den Neunzigerjahren vorgehen musste, damit beim Thema Aids überhaupt jemand zuhört, zeigt die Ausstellung von General Idea im Gropiusbau.

Eine Kolumne von Birgit Rieger

Erst könnte man denken, oh mann, Berlin. Hier kann aber auch wirklich nichts herumstehen, was nicht sofort mit Tags und Eddingkritzeleien versehen wird. Aber die „AIDS“-Skulptur aus glänzendem Stahl, die im Rahmen der Ausstellung der kanadischen Künstlergruppe General Idea vor dem Gropiusbau steht, ist tatsächlich zum „Interagieren“ freigegeben.

Die drei Kanadier, die mit ihrer Kunst bereits in den Achtzigerjahren auf die tabuisierte Immunschwächekrankheit hingewiesen haben, haben sie als partizipatives Objekt konzipiert. Jeder soll und darf sich auf den glänzenden Buchstaben verewigen, darf sich mit „Aids“ beschäftigen, so der kleine Twist, der hier eingebaut ist.

„AIDS“-Skulptur von General Idea vor dem Gropiusbau.

© Birgit Rieger

Besonders erhellend ist es nicht, was man da lesen kann, paar Namen, paar Sticker, bisschen Werbung in eigener Sache. Aber natürlich ist das Stück dadurch auch einzigartig geworden. Die Skulptur von General Idea eine Anverwandlung der vier Lettern von Robert Indianas berühmtem „LOVE“-Motiv, das dieser bereits in den Sechzigerjahren erstmals einsetzte.

Replikation und Wiederholung

„AIDS“ ist ein Sinnbild für Replikation und Mutation, den Merkmalen der Krankheit, die damals die Schwulenszene dahinraffte. Jorge Zontal und Felix Partz, zwei Drittel der Dreiergruppe General Idea, starben 1994 selbst an der Immunschwächekrankheit. Der Dritte im Bunde, AA Bronson lebt in Berlin und hat auch selbst an der Retrospektive im Gropiusbau mitgearbeitet.

In der Ausstellung, die sich rund um den Lichthof gruppiert, wird General Ideas gesamtes Repertoire sichtbar, inklusive ihrer in den Siebzigerjahren ziemlich hellsichtigen Idee, Künstler zu einem Beauty Contest einzuladen, bei dem sie sich präsentieren müssen wie bei einem Miss-Wettbewerb. Was tut man, für Fame und Aufmerksamkeit, wie sehr lässt man sich zum Produkt machen. Alles heute noch relevant.

Den Schriftzug, der draußen als Skulptur aufgebaut ist, sieht man drinnen als Tapete, das sich vielfach wiederholenden Buchstaben in grellem Blau, Grün und Rot, bis es anfängt zu Flimmern vor den Augen. An einer royalblauen Wand sind 150 Objekte in Pillenform aufgehängt, die an das Leben voller Pillen erinnert, das eine mit HIV infizierte Person führt.

Anfang der Neunzigerjahre gab es bereits die ersten antiviralen HIV/AIDS-Medikamente, die inzwischen sehr viel wirkungsvoller und besser geworden sind. Seit 1988 gibt es den Welt-Aids-Tag, der seitdem jährlich am 1. Dezember an die Rechte HIV-positiver Menschen erinnern soll. Guter Anlass, um mal einen Blick in die Ausstellung zu werfen. Und vielleicht einen Kommentar auf der Skulptur zu hinterlassen.

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