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Die britische Booker-Preisträgerin Hilary Mantel verstarb «plötzlich aber friedlich» im Kreise ihrer Familie.

© Foto: Yui Mok/PA Wire/dpa / Yui Mok

Zweifache Booker-Preisträgerin: Autorin Hilary Mantel im Alter von 70 Jahren gestorben

Republikanerin, Monarchie- und Thomas-Cromwell-Expertin: Mit ihren Romanen „Wölfe“ und „Falken“ wurde die britische Schriftstellerin Hilary Mantel weltberühmt. Ein Nachruf.

Eine furchterregende Koinzidenz ist das mal wieder: Keine zwei Wochen nach dem Tod von Königin Elisabeth II. stirbt mit Hilary Mantel nicht nur eine der populärsten Schriftstellerinnen des Vereinigten Königreichs, sondern auch eine Autorin und erklärte Republikanerin, die wegen ihrer historischen Romane als Monarchie-Expertin galt.

Überdies sorgte Mantel für viel Aufsehen, als sie 2013 in London im British Museum einen Vortrag über die „royal bodies“ und speziell die Frauen im royalen Gefüge hielt und dabei die Herzogin von Cambridge, die Ehefrau des Thronfolgers Prinz Wiliam, als „Schaufensterpuppe“ bezeichnete. Danach schlug ihr in England ein Bosheitssturm insbesondere auf dem Boulevard entgegen, nicht allerdings im Königshaus selbst: Die Queen verlieh Mantel aufgrund ihrer literarischen Verdienste ein Jahr später das Adelsprädikat „Dame Commander“ im Ritterorden des British Empire.

Obwohl Mantel, die 1952 in Glossop/Derbyshire geboren wurde und den Nachnamen von ihrem Stiefvater erhielt, schon früh mit dem Schreiben als Filmkritikerin für den „Spectator“ begann und dann mit „Every Day is Mother’s Day“ 1985 ihren Debütroman veröffentlichte, dauerte es über zwei Jahrzehnte, bis sie zu Ruhm gelangte und ein großes Publikum erreichte.

„Wölfe“ war ihr literarischer Durchbruch

2009 erhielt sie für ihren Roman „Wölfe“ (im Original „Wolf Hall“) den Booker Prize. Der Roman ist im 16. Jahrhundert zur Zeit der Tudor-Dynastie angesiedelt und schildert, wie sich England unter König Heinrich VIII. von der katholischen Kirche löste, durchgängig im Präsens erzählt aus der Perspektive des maßgeblichen Reformers, Lordkanzlers und Superministers Thomas Cromwell. „Wölfe“ hat eine ganz eigene Wucht und wirkt in seiner Beschreibung der Menschen und Machtverhältnisse ungleich gegenwärtiger als viele andere historische Romane, wobei Cromwell mit seinen sozialreformerischen Ideen visionär wirkt. Hilary Mantel sollte in Folge der Zeit Heinrich VIII. und Cromwell treu bleiben.

Mit „Falken“ schrieb sie eine Fortsetzung, in deren Zentrum Anne Boleyn steht, die zweite von Heinrichs sechs Ehefrauen; auch dieser Roman wurde 2013 mit dem Booker Prize ausgezeichnet, was vorher noch nie einer Schriftstellerin gelungen war.

„Spiegel und Licht“ schließlich, in England 2019 erschienen, in Deutschland ein Jahr später, ist der Abschluss von Mantels Tudor-Trilogie. Der Roman behandelt auf über tausend Seiten die letzten Lebensjahre Cromwells bis zu seiner Hinrichtung 1540 in London und ist abermals ausschließlich im Präsens und aus Cromwells Perspektive erzählt, aber wie stets in der der dritten Person.

Mantel war nicht nur republikanisch und links gesinnt, sie legte sich auch gern mit der katholischen Kirche an und lehnte den Brexit entschieden ab; auch mit einer Geschichte über die Ermordung Margaret Thatchers brachte sie das konservative Königreich gegen sich auf. Was ihr aber keine schlaflosen Nächte bescherte.

Kämpfen war sie von ihrer Kindheit an gewohnt, wie Mantel in ihrer Autobiografie „Von Geist und Geistern“ geschildert hat: Jahrelang hatte sie als junges Mädchen mit immer wieder fehldiagnostizierten schweren Unterleibsschmerzen zu kämpfen, bis sich herausstellte, dass sie an einer schmerzhaften, behandlungsbedürftigen Endometriose litt, zu der sich in späteren Jahren noch tagelange Migräneattacken gesellten. Jetzt ist Hilary Mantel, wie es heißt, „plötzlich, aber friedlich“ im Kreis ihrer Familie gestorben.

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