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Der Bundeswirtschaftminister Robert Habeck.

© Imago/Frank Peter

Ministerien als Beute? : Die Ampel bringt sich selbst unter Druck

Verdacht auf Vetternwirtschaft, Heizungspolitik: Robert Habeck befindet sich in einer Krise. Doch auch andere Ressortchefs regieren stark in ihre Ministerien hinein und ernten Kritik.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es gab mal diesen Spruch, dass die Sozialdemokraten wohl keine Wahlen mehr gewinnen könnten, aber Ministerien besetzen. Das ist schon länger her, war vor der vergangenen Wahl - nur irgendwie gilt der zweite Teil des Spruchs noch. Und überraschenderweise offenkundig jetzt auch für die, die mit ihnen koalieren. Als würde da was von den Roten auf die Grünen und Gelben abfärben.

Und so gerät sie unter Druck, die Ampel. Voran über die Grünen, dann die FDP, demnächst wieder die SPD, die Vorhersage ist nicht zu gewagt. Es gibt ja schon Anhaltspunkte dafür.

Bei den Grünen ist es Robert Habeck, ausgerechnet, der von sich reden macht. Aber wie. Von wegen Lichtgestalt: Dunkle Schatten fallen auf ihn und die Partei. Beide stürzen in Umfragen ab. Die massive Kritik an seiner, sagen wir: Heizungspolitik, dazu der Verdacht der Vetternwirtschaft um seinen engsten Vertrauten und Staatssekretär Patrick Graichen, der auch noch immer größer wird – Krise ist ein gelindes Wort dafür.

Wird der Staatssekretär wohl gehen müssen?

Zumal jetzt noch das böse Wort „Filz“ hinzukommt. War es das für ihn? Für alle seine Hoffnungen und Ambitionen, inhaltlich und auf die Kanzlerkandidatur? Oder muss „nur“ der Staatssekretär dran glauben?

Alles ist möglich. Quasi private Verbindungen hin und her, die zu Besetzungen führen, das lässt sich bei keinem in der Regierung mehr vertreten. Wohlgemerkt: bei keinem.

Schauen wir dazu doch auch mal auf die FDP. Da hat einer ihrer Minister, Volker Wissing, offenkundig gleich mehrere Stellen in seinem Verkehrsressort mit alten Vertrauten besetzt, ohne die vorher auszuschreiben. 18 Stellen sollen es sein, mehrere Abteilungsleiter darunter. Was nicht profan ist: Der Posten fällt in der Regel in die Besoldungsgruppe B9. Das entspricht einem Grundgehalt von knapp 12.500 Euro.

Oder die SPD, Boris Pistorius, gerade der beliebteste deutsche Politiker: Er baut gewaltig um, setzt um, setzt ab, setzt neu ein, Generalinspekteur, Staatssekretär, Abteilungsleiter, und will jetzt im Leitungsbereich 160 von rund 370 Stellen streichen. Um sie anderswo aufzubauen? Wer weiß, wie da wo was ausgeschrieben worden ist. Einen engen Vertrauten baut der Minister gerade zum Leiter seines Leitungsstabes auf. In einem Schritt um sechs Besoldungsstufen höher. Auch ohne Ausschreibung. Da kommt noch was.

Auch Olaf Scholz hat sich viele Stellen gesichert

Oder, im Rückblick, Olaf Scholz: Das Bundesfinanzministerium gilt als Hort der Sparsamkeit, immerhin ist der Ressortchef Herr der Kassen. Scholz aber sicherte seinem Ressort zu Beginn seiner Amtszeit einen enormen Personalaufwuchs: 41 Stellen.

Nun sieht das Bundesbeamtengesetz vor, dass offene Stellen öffentlich ausgeschrieben werden müssen. In der Regel. Dadurch will man gewährleisten, dass die Posten nach Kompetenz und nicht durch Kontakte vergeben werden. Möglichst. Mit Ausnahmen: Zu denen gehören Stellen für Abteilungsleiter und Staatssekretäre, für Persönliche Referenten und die „sonstigen politischen Beamtinnen und Beamten“.

Von den Ausnahmemöglichkeiten macht auch die Ampel gerne Gebrauch. Zu gerne? Also wenn es ein absoluter Vertrauensposten ist – gut, dann sei das die Ausnahme. Aber es sind nicht alle Posten gleich, die Ausnahme sollte nicht die Regel sein, und mit Durchregieren macht sich keine Partei Freunde. Im Gegenteil.

Das verrät nämlich ein falsches Verständnis von dem, was Staatsdiener – die nicht ohne Grund immer mal wieder so genannt werden – leisten. Und es zeigt einen Mangel an Respekt. Wer Beamte:r ist, hat dem Staat loyal zu dienen. Schwört einen Eid darauf, die Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen. Unparteilich, unparteiisch. Und das tun Tausende von Ihnen. Deshalb funktioniert dieser Staat.

Ihre Treue, dieses Pflichtverständnis gilt es zu nutzen. Alle Regierenden sind darum gut beraten, die Beamt:innen ihres Hauses zur Mitarbeit zu gewinnen, das Ministerium einzunehmen, aber im besten Sinn. So, im Zusammenspiel, ist zum Beispiel erst die herausragende Organisationsleistung der Deutschen Einheit möglich geworden. Doch Absetzen und Ersetzen ist natürlich weniger anstrengend als Überzeugen.

Wir sehen: Da werden Ministerien besetzt, nicht für sich eingenommen. Ministerien als Beute? Die Ampel bietet hier Angriffsflächen. Es fehlt nicht mehr viel, bis die Opposition das Gebaren parlamentarisch untersuchen will. Robert Habeck ist ja nicht allein in der Kritik. Die Regierung bringt sich selber unter Druck.

Hinweis der Redaktion: Wir haben den Text an der Stelle über die Ausschreibungen präzisiert.

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