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 Abschiedsworte vor Downing Street 10.

© IMAGO/ZUMA Wire / IMAGO/Tayfun Salci

Die Briten hätten Neuwahlen verdient: Der Truss-Rücktritt wird zur Überlebensfrage für die Tories

Seit 2010 regieren die Konservativen Großbritannien und in der Zeit wurde das Mitte-Rechts-Lager immer irrationaler. Die Kurzzeitpremierministerin ist ein trauriger Höhepunkt.

Ein Kommentar von Sebastian Borger

Wer Fehler begeht, muss dafür auch die Verantwortung übernehmen. Sinngemäß hat dies die Kurzzeit-Innenministerin Großbritanniens, Suella Braverman, am Mittwoch ihrer Chefin ins Stammbuch geschrieben.

Diesen Grundsatz seriöser Politik hatte Liz Truss bis dahin hartnäckig verweigert. Auch nach einem beispiellosen parlamentarischen Chaos später am Abend wollte die 47-Jährige weiterhin in ihrem Amt verharren.

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Tags darauf zog die am kürzesten amtierende Premierministerin aller Zeiten endlich die Konsequenz und kündigte ihren eigenen, längst überfälligen Rücktritt an.

Gescheitert ist sie vor allem an ihren Vorstellungen von solider Finanz- und Wirtschaftspolitik. Durch massive, schuldenfinanzierte Steuersenkungen die Wirtschaft ankurbeln ist auch früher schon versucht worden, nicht zuletzt vom US-Präsidenten Ronald Reagan, an dem sie sich zu orientieren schien.

Nicht bedacht aber hatte Truss, dass Großbritannien im Jahre 2022 in viel größerem Maße vom Wohlwollen der globalen Finanzmärkte abhängt, als die Vereinigten Staaten in den 1980er Jahren.

Cameron fing als Europa-Skeptiker an und löste den Brexit au

Schnell lag unter Truss vollends in Trümmern, wofür die konservative Partei einst geschätzt war: solide Haushaltspolitik und pragmatisches Regierungshandeln. Freilich haben die Tories diesen Pfad schon vor längerer Zeit verlassen, und die Ursache lautet Europa.

Immer mächtiger wurden nach der Regierungsübernahme 2010 die ideologischen Fanatiker innerhalb der einstmals braven Mitte-Rechts-Partei. David Cameron war als harter Europa-Skeptiker ins Amt gekommen und griff am Ende zum Mittel des Referendums.

Der Glaube, die sonst so pragmatischen Briten würden auf die Beschwörungen ihrer Politik- und Wirtschaftselite hören und zuletzt eben doch für den EU-Verbleib stimmen, zerstob dann endgültig 2016.

Say goodbye to Europe, hieß es 2016.

© Kenzo Tribouillard/Pool via REUTERS

Damit begann eine Periode beispielloser Turbulenzen erst unter Theresa May, dann unter Boris Johnson. Zum stetigen, zielsicheren, an Augenmaß orientierten Regierungshandeln war der ebenso unfähig wie die weitgehend talentlose, dafür von beinahe unbegrenztem Ehrgeiz angetriebene Truss.

Für die Tories stellt sich nun die Überlebensfrage. Mit der harten Parteirechten Braverman können sie das vom Brexit ausgelöste Chaos weitertreiben. Oder die britischen Konservativen stellen sich unter der Führung von Rishi Sunak und dem Finanzminister Jeremy Hunt der Realität.

Für die alte britische Demokratie am Besten wäre gewiss der Weg, den die um ihr Mandat bangenden konservativen Abgeordneten gewiss nicht gehen wollen: baldige Neuwahlen und eine gemäßigte Labour-Regierung unter dem verantwortungsvollen früheren Chef-Staatsanwalt Keir Starmer.

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