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Karl Lauterbach.

© Foto: AFP/Michele Tantussi

Die Versicherten zahlen den Löwenanteil: Die geplante Rettung der Krankenkassenfinanzen schafft nur neue Probleme

Statt dass alle im Gesundheitssystem ihren Anteil tragen an der Misere, werden Ärzte und Pharmakonzerne vergleichsweise gering belastet. Und das Kassendefizit wird wachsen.

Ein Kommentar von Thomas Trappe

Es ist eine Nebelkerze: Beim aktuellen Noteinsatz zur Stabilisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erklärt der zuständige Minister Karl Lauterbach stetig, die Last „auf mehrere Schultern“ zu verteilen, Versicherte also nicht alleine zahlen zu lassen.

Eine Auslegung, die nicht richtiger wird dadurch, dass sich ihr am Freitag im Bundestag auch Lauterbachs SPD anschloss. Denn wahr ist: Der allergrößte Teil im geplanten „GKV-Finanzstabilisierungsgesetz“ wird aus Mitteln der Beitragszahlenden gestemmt.

Das ist die Kassenlage: Der GKV fehlen 2023 mindestens 17 Milliarden Euro, vielleicht werden es durch Inflation und Rezession auch weit über 20 Milliarden. Hauptgrund sind Gesetze, die vor der Pandemie auf den Weg gebracht und zwischen Jens Spahn (CDU) und Lauterbach ausgehandelt wurden.

Um die Milliarden-Lücke zu schließen, will die Ampelkoalition unter anderem die GKV-Beiträge im Schnitt um 0,3 Prozentpunkte anheben. Das sei dann der Anteil der Beitragszahler an der GKV-Rettung, sagt Lauterbach. Und unterschlägt, woher der zweite große Block kommt: nämlich von den Kassen.

Die Belastungen für die Pharmabranche fallen relativ gering aus

Doch da geht um Rücklagen, die allein durch GKV-Beiträge aufgebaut wurden, also gewissermaßen Ersparnisse der Versicherten. Zwar sind auch Kürzungen für die Pharmabranche und die Ärzteschaft geplant, die auch durchaus einschneidende Folgen haben können, aber im Verhältnis zur Belastung der Beitragszahler fallen die relativ gering aus.

Nun könnte man meinen, das GKV-Defizit deute auf ein zu teures Kassengefüge hin, was dann folgerichtig natürlich auch durch die Mitglieder des Versicherungssystems, also die Beitragszahler, ausgeglichen werden müsse. Aber das ist viel zu kurz gedacht.

Denn auch Bezieher von Arbeitslosengeld II sind in der GKV versichert. Deren Beiträge zahlt der Bund an die Kassen. Doch diese Beträge sind als Ausgleich seit Jahren viel zu gering. Ein jährliches Defizit im fast zweistelligen Milliardenbereich ist die Folge.

Laut Koalitionsvertrag sollte dieser Missstand zwar behoben werden, aber bei Christian Lindner (FDP) konnte Lauterbach das nicht durchsetzen. Ganz im Sinne der Haushaltsdisziplin stülpt der Gesundheitsminister also Kosten, die aus dem Bundeshaushalt erstattet werden müssten, den Beitragszahlern über.

Mit der jetzigen Reform könnte die GKV das Jahr 2023 mit Ach und Krach überstehen. Doch danach wird das Defizit schon aus demographischen Gründen noch stärker wachsen. Lauterbach verspricht derweil neue teure Projekte, zum Beispiel 1000 Gesundheitskioske in ganz Deutschland. Auf Reserven der Beitragszahler kann er dafür nicht mehr setzen. Denn die werden im Krisenjahr 2023 abschließend ausgegeben.

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