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Kopftuch vor Gericht: Bürgerrechtler:innen kritisieren, dass das Kopftuchverbot weit über den öffentlichen Dienst hinaus wirkt - hier die Kundenberaterin eines Drogeriemarkts, die gegen das Verbot ihres Arbeitgebers vor Gericht zog.

© Uwe Anspach/pa-dpa

EuGH-Urteil zur Diskriminierung : Kopftuch, Kreuz und Kippa müssen gleichbehandelt werden

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Unternehmen dürfen das Kopftuch am Arbeitsplatz verbieten. Dafür allerdings gelten strenge Regeln.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Im Iran werden Frauen, die kein Kopftuch tragen wollen, niedergeknüppelt, interniert, gefoltert, ermordet. Die Täter berufen sich auf den Islam. Das barbarische Mullah-Regime muss geächtet, sanktioniert, bekämpft werden.

Auch in Europa gibt es konservative, zum Teil radikale muslimische Gemeinden, die Frauen vorschreiben, ein Kopftuch zu tragen. Der Konformitätsdruck ist groß. Das muss transparent gemacht, kritisiert und – sofern gegen Gesetze verstoßen wird – geahndet werden.

Anders sieht es mit muslimischen Frauen aus, die das Kopftuch aus freien Stücken tragen, als identitätsstiftendes Zeichen ihres Glaubens. Sie werden oft als Gefahr für den sozialen Frieden wahrgenommen, als Symbol für gescheiterte Integration. Viele von ihnen werden diskriminiert, einige auf offener Straße angepöbelt. Das darf eine freiheitliche Gesellschaft nicht dulden.

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Das Unternehmen hatte auf eine interne Neutralitätsregel hingewiesen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat am Donnerstag die Klage einer Muslimin in Belgien abgewiesen, die wegen ihres Kopftuches für ein Praktikum in einer Wohnungsverwaltungsgesellschaft abgelehnt worden war.

Zur Begründung hatte das Unternehmen auf eine interne Neutralitätsregel hingewiesen, der zufolge seine Mitarbeiter keine religiösen, philosophischen oder politischen Weltanschauungen zum Ausdruck bringen dürfen. Weil das Verbot allgemein und unterschiedslos gilt, sei eine unmittelbare Diskriminierung nicht gegeben, so der EuGH.

Vor gut einem Jahr hatte der EuGH bereits klargestellt, dass ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz durchaus zulässig sein kann. Es hatte aber strenge Kriterien dafür formuliert. Dazu gehören der Schutz vor Diskriminierung – Kreuz, Kippa, Kopftuch und andere Bekenntnisbekundungen müssen gleichbehandelt werden – und ein reales Bedürfnis des Arbeitgebers, wie etwa Hinweise auf Unruhen innerhalb des Unternehmens oder wirtschaftliche Einbußen. Pauschale Kopftuchverbote am Arbeitsplatz bleiben weiterhin verboten.

Dieser Linie ist der EuGH treu geblieben. Allerdings hat er darauf hingewiesen, dass sich eine anscheinend neutrale Regelung in der Praxis durchaus als mittelbare Diskriminierung auswirken kann, dann nämlich, wenn hauptsächlich Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung benachteiligt würden. Um das zu prüfen, würde der Fall an das Arbeitsgericht in Brüssel überwiesen.

Das Grundgesetz garantiert das Recht auf eine ungestörte Religionsausübung

Für muslimische Frauen, die nach Ausbildung oder Studium in die Arbeitswelt streben, ohne auf das Kopftuch als Zeichen ihres Glaubens verzichten zu wollen, bleibt das Urteil unbefriedigend. Zum Glück genießt das im deutschen Grundgesetz verankerte Recht auf eine ungestörte Religionsausübung einen hohen Rang.

Das Bundesverfassungsgericht stellte im Jahr 2015 fest, dass es keinen Anspruch darauf gibt, „von der Wahrnehmung anderer religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse verschont zu bleiben“. Das sollte auch weiterhin die Richtschnur der deutschen Rechtsprechung sein.

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