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Die US-Philosophin Judith Butler

© dpa/Peter Klaunzer

Nach umstrittenen Äußerungen von Judith Butler: Der Suhrkamp Verlag hält zu seinen Autoren – richtig so

Peter Handke, Uwe Tellkamp, Annie Ernaux und jetzt Judith Butler: So hanebüchen ihre Aussagen auch sind, was zählt, ist das, was die Verlage veröffentlichen.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Wie geht eigentlich der Suhrkamp Verlag um mit den Äußerungen und Hervorbringungen seiner Autorin Judith Butler nach dem 7. Oktober? Das fragen sich so manche Beobachter und Beobachterinnen der Verlagsszene, erst recht nach Butlers Aussage, die Hamas-Massaker seien „ein Akt des bewaffneten Widerstands“.

In der „Welt“ war vor einiger Zeit gar von der „rückgratlosen Gleichgültigkeit“ des Verlags die Rede, weil Suhrkamp, trotz des Jüdischen Verlags in seinem Portfolio, angeblich nicht ausreichend Stellung zum Antisemitismus beziehe.

Der Fall Martin Walser

Es sei nicht Sache des Verlags, sich zu aktuellen Aussagen seiner Autorinnen und Autoren zu äußern, teilte man bei Suhrkamp jetzt nach Butlers Pariser Auftritt mit: „Als Verlag sprechen wir über die Bücher unserer Autorinnen und Autoren - die im Falle von Judith Butler seit über 30 Jahren bei uns erscheinen.“ 1991 wurde Butlers Klassiker „Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity“ auf Deutsch in der Edition Suhrkamp veröffentlicht, zuletzt erschien 2020 von ihr bei Suhrkamp „Die Macht der Gewaltlosigkeit. Über das Ethische im Politischen“.

Tatsächlich ist der Verlag immer so verfahren, beruhigenderweise. Im Fall von Martin Walser war es ein Roman, der 2002 selbst noch bei Suhrkamp erschien, „Der Tod eines Kritikers“, der zur Trennung führte, nicht die Paulskirchen-Rede vier Jahre zuvor. Walser selbst verließ 2004 den Verlag, weil er sich bei den gegen ihn erhobenen Antisemitismusvorwürfen nicht ausreichend unterstützt fühlte.

Handke und Jugoslawien

Die Jugoslawien-Bücher von Peter Handke erschienen in den neunziger Jahren alle bei Suhrkamp, und bei Handkes umstrittener Literaturnobelpreisverleihung stand der Verlag 2019 treu an der Seite seines Autors. Uwe Tellkamp ist trotz seiner Hinwendung zum rechten Milieu und zur AfD weiterhin Suhrkamp-Autor. Genau wie Annie Ernaux, trotz ihrer BDS-Sympathien- und „Strike-Germany“-Unterschrift.

Judith Butler wiederum hatte schon in den mittleren nuller Jahren die Terrorgruppen Hamas und Hisbollah als „Teil der globalen Linken“ bezeichnet, als „soziale Bewegungen“ gar. Als ihr 2012 der Adorno-Preis der Stadt Frankfurt verliehen wurde (Adorno: Suhrkamp-Autor, Frankfurt: bis 2009 Verlagssitz!), kam es zu starken Protesten, unter anderem vom Zentralrat der Juden. Auch damals war der Suhrkamp Verlag unbeirrbar und hielt zu seiner Autorin.

Was richtig so ist. Denn so daneben-hanebüchen einige der Äußerungen von Butler sind: Es würde doch einiges ins Rutschen geraten, wenn Verlage gleich bei jeder problematischen Aussage ihrer Autoren oder Autorinnen in eine moralische Panik geraten und diese zurechtweisen, gar mit Ausschluss drohen. Dann dürfte es auch keine Neuübersetzungen der Bücher von Knut Hamsun oder Louis-Ferdinand Céline geben. Primär ist für Verlage die Arbeit am Buch. Was zählt, ist das, was sie veröffentlichen.

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