zum Hauptinhalt
Friedrich Merz spricht beim Politischen Frühschoppen Gillamoos.

© dpa/Sven Hoppe

Merz ist nicht Deutschland: Was seine Bierzeltrede über den CDU-Chef verrät

„Nicht Berlin, nicht Kreuzberg, Gillamoos ist Deutschland“, behauptet Kanzleraspirant Friedrich Merz. Das Ressentiment wird bei ihm zum Programm, sein Motto: Spalten statt Versöhnen. Das ist doppelt riskant.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Nichts ist falsch an dem Satz, dass Kreuzberg nicht Deutschland ist. Auch Berlin ist nicht Deutschland, da hat Friedrich Merz schon recht. Deutschland ist sehr viel mehr als ein Ortsteil, eine Stadt oder ein Bundesland. Deutschland ist bunt und grau, Ost und West, oben und unten, Stadt und Land, links und rechts, Arm und Reich.

Und deshalb liegt Merz am Ende dann eben doch falsch, wenn er sagt: „Nicht Berlin, nicht Kreuzberg, Gillamoos ist Deutschland.“

Gillamoos, das war bis vor ein paar Tagen außerhalb Bayerns vielleicht nicht überall bekannt, ist vor allem „der größte Stammtisch der Welt“, auch das ein Zitat des CDU-Vorsitzenden, der so gerne Kanzler wäre. Aber auch Gillamoos ist nicht Deutschland, Gillamoos gehört zu Deutschland, ist ein Teil davon. So wie auch Berlin, Kreuzberg und, wie es der CDU-Politiker Christian Wulff als Bundespräsident sagte, der Islam zu Deutschland gehören.

Es liegt erstmal nahe, die Worte von Merz ins Verhältnis zu dem Ort zu setzen, an dem er sie jetzt sagte: Stammtisch eben, und dann auch noch in Bayern. Aber Merz ist Wiederholungsredner. Er tut es im Sauerland, er tut es in Apolda. Das Motto seines Kandidatenrennens um die Kanzlerschaft lautet offenbar: Spalten statt Versöhnen.

Das Gillamoos ist eines der größten und ältesten Volksfeste Niederbayerns.
Das Gillamoos ist eines der größten und ältesten Volksfeste Niederbayerns.

© dpa/Sven Hoppe

Dabei braucht es keinen Frühschoppen mit Friedrich Merz, um die Gesellschaft zu spalten. Deutschland wird von seinen vielen Teilen nicht mehr zusammengehalten, sondern zerfällt in sie. Das wird deutlich an Wahlergebnissen und Sozialdaten, an der Härte von Auseinandersetzungen, an der diskursiven Unversöhnlichkeit, an der Abkehr von der Demokratie, an der Radikalisierung.

Es wird kaum noch differenziert, dafür umso mehr polemisiert und pauschalisiert. So gesehen ist Merz zwar ein typischer Vertreter seiner Zeit. Aber einer, der in diesem Zustand des Landes sein Heil zu finden versucht, anstatt dazu beizutragen, ihn zu verbessern. Merz möchte Kanzler von Deutschland werden. Aber er verhält sich wie ein CDU-Generalsekretär. So wird bei ihm das Ressentiment zum Programm.

Erfunden hat Merz diese Art von Politik nicht. Zahlreiche Populisten waren damit schon erfolgreich, ihr prominentester ist Donald Trump. Als Hebel zur Macht dient dieser Politik das zunehmende Unverständnis zwischen Großstadt einerseits sowie Vorstadt, Mittel-, Kleinstadt und Land andererseits. So wie aus der Stadtperspektive oft spöttisch aufs Land herabgeschaut wird, wenn es denn überhaupt eine Rolle spielt, so wächst dort die politisch verwertbare Wut auf vermeintlich oder tatsächlich Privilegierte.

Diesen Gegensatz gibt es allerdings auch in Berlin: Hier leben zwei Drittel der Menschen außerhalb des Innenstadtrings, und diese haben oft sehr andere Interessen und Sorgen als jene in Kreuzberg, Mitte und Prenzlauer Berg. Das Ergebnis der vergangenen Wahl hat das deutlich gezeigt: Berlin ist außen schwarz und innen grün.

Regierender Bürgermeister wurde Kai Wegner. Er positionierte die CDU im Wahlkampf allerdings nicht explizit gegen die Innenstadt. Sein Motto: „Berlin ist gespalten, wir sollten die Stadt jetzt wieder zusammenführen.“ So kann es also auch gehen, sogar erfolgreich.

„Wie ich das denke, und wie ich sie hier alle sehe“, sprach Friedrich Merz vor ein paar Hundert lederbehosten CSU-Fans mit Maßkrug vor sich auf dem Tisch, „das ist Deutschland. So wie Sie hier heute alle zusammen sind. Nicht Berlin, nicht Kreuzberg, Gillamoos ist Deutschland.“ Ja, auch Gillamoos ist Deutschland. Aber eben nicht nur.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false