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Wahlurnen mit Stimmzettelumschlägen für die Briefwahl in Dresden

© dpa/Sebastian Kahnert

Neue bürgerliche Partei vor der Gründung: Wie ein Zerfasern verhindert wird

Die gesellschaftliche Differenzierung lässt es logisch wirken: Mehr Parteien bilden mehr Standpunkte ab. Das birgt Risiken – und Chancen.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Als hätte das Land nicht schon ausreichend viele Herausforderungen zu bewältigen. Nein, nun gründet sich im bürgerlich-konservativen politischen Spektrum auch noch eine neue Partei, das „Bündnis Deutschland“. Und auf der Linken könnte es eine weitere geben, wenn sich Sahra Wagenknecht von ihrer jetzigen löst, der Linkspartei. In beiden Fällen wäre dann Unzufriedenheit mit dem Bestehenden der Antrieb. Das kann ein starker sein.

Wie weit er trägt? Mitunter weit, auf der linken und der rechten, äußerst rechten Seite ist es ja zu sehen: Die Linkspartei und die AfD halten sich mit je unterschiedlichem Erfolg im politischen Spektrum. Und waren vor Jahrzehnten nicht auch die Grünen Symbol einer Auffächerung aus Unmut über die Politik der bestehenden politischen Gruppierungen? Sie haben es weit gebracht.

Jetzt also „Bündnis Deutschland“ aus ehemaligen Mitgliedern und Funktionsträgern von CDU, CSU und Freien Wählern, von Konservativen, in der „Christdemokratisch-Liberalen Plattform“ oder dem „Bürgerlich-Freiheitlichen Aufbruch“ organisiert.

Schlicht rechts wollen sie nicht sein, die Abgrenzung von der AfD ist denen, die bisher zu hören waren, wichtig. Über eine Wagenknecht- Partei, radikaler pazifistisch, radikaler sozialistisch, unterstützt vom vormaligen Linkspartei-Gründer Oskar Lafontaine, wird – noch – nur gemunkelt.

Wenn Parteien zu Gegnern werden – siehe USA

Grundsätzlich ist es so: In unserer Demokratie haben Parteien eine herausragende Rolle für politische Entscheidungen – sie entsenden das Personal in und für die Politik. So weit, so wichtig, so funktionell. Schattenseite kann die Spaltung der Repräsentanz sein: Wenn zwei Parteien zu Gegnern werden, wie gerade in den USA zu sehen, oder das Spektrum zersplittert, zerfasert.

Israel ist das jüngste Beispiel dafür, wie schwierig es werden kann, eine dauerhafte Mehrheit zu bilden aus vielen kleinen Parteien mit übermäßig starker Klientelausrichtung, die sich noch dazu häufig neu gründen.

Israels zersplitterte Parteienlandschaft erschwert Mehrheitsbildungen in der Knesset.

© dpa/AP/Alex Kolomoisky/Pool Yediot Aharonot

Das alles muss für Deutschland kein Schrecken sein. Die Bundesrepublik ist ja nicht Weimar, um ein Schlagwort aus den frühen Jahren des vorigen Jahrhunderts zu nehmen, ist von einer Zersplitterung des politischen Systems weit entfernt.

Das Verhältniswahlrecht ist bewährt und gewollt, und die Stabilität ist nicht gleich bedroht, wenn geschieht, was in der Welt geschieht: Gesellschaftlicher Differenzierung kann eine der politischen Repräsentanz folgen. Eine der Zerfaserung zu verhindern, fordert aber zu neuem Denken und verändertem Handeln heraus.

Ein Austarieren der Wünsche wird schwieriger, sprich: Koalitionen aus Mehreren gelingen dann, wenn ungeachtet der Größe Politiker als Partner unter Gleichen die gemeinsamen Dinge gemeinsam gestalten wollen. Wie? Durch mehr öffentliche Diskurse und öffentliche Beratung, durch Teilhabe der Bürger an öffentlicher Kommunikation und dem Zusammenwirken von Erörterung und Entscheidungsprozess.

In Ansätzen ist das bereits im Bund zu sehen. Und eine Bürgerbeteiligung wie beim Bürgerhaushalt oder kommunaler Bauplanung zeigt: Input in die Bürger erhöht den Output der Politik.

Insofern ist Rot-Grün-Gelb geradezu eine zukunftsgerichtete Folie. Dieses Bündnis kann mit einem nicht nur behaupteten neuen Politikstil maßgeblich dazu beitragen, dass das bestehende System nicht zerfasert. Diese Verantwortung sollte auch ein starker Antrieb sein.

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