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Generalbundesanwalt Peter Frank erläutert vor Medien die Razzien und Verhaftungen in der Reichsbürgerszene.

© Foto: dpa/Uli Deck

Großeinsatz mit Medien: Wo Öffentlichkeit falsch ist

Die Razzia gegen mutmaßliche Reichsbürger war in manchen Kreisen wohl seit Tagen bekannt. Die Behörden sollten aufklären, warum.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Ob die bei der Reichsbürger-Razzia Verhafteten so schuldig sind, wie sie derzeitig verdächtig erscheinen, werden ihre Strafverfahren zeigen. Sicher ist, dass die Maßnahme, sollte sie dem Auf- und Abschrecken der Szene gelten, eindrucksvoll gelang. Einen wesentlichen Anteil daran hatten die Medien, die unter Einsatz aller technischen Mittel schon frühmorgens mit der offenbar gründlich vorbereiteten Berichterstattung starten konnten.

Zufall war das kaum. Also gute Recherche? Natürlich bleibt ein derartiger Großeinsatz nicht unbemerkt, sodass nachvollziehbar wäre, wenn sich kurzfristig vereinzelt Reporter an den Schauplätzen eingefunden hätten.

Hier aber drängt sich ein anderer Eindruck auf. In der Politik-Medien-Bubble sollen Ort und Zeit der Einsätze schon Tage zuvor verhandelt worden sein. Nicht auszuschließen, dass Betroffene vor der Aktion gewarnt waren.

Die Verantwortlichen müssen dem Verdacht nachgehen, wann und wie die Informationen aus den Reihen der Behörden abfließen konnten.

Jost Müller-Neuhof, rechtspolitischer Korrespondent

Daher führt das Drama von den Haustüren der Republik bis zur Hubschrauber-Überstellung Richtung Karlsruhe zwangsläufig zu der Annahme, hier habe – auch – eine Inszenierung stattgefunden; ein PR-Coup, der die Verantwortlichen der Staatsmacht in gutes, die Festgenommenen in ein schlechtes Licht rücken soll. Der aufsehenerregende Schlag gegen die mutmaßlichen Verschwörer hätte dann sofort die nächste Verschwörungstheorie produziert.

Ein solcher Eindruck wäre schädlich. Die Verantwortlichen sollten deshalb glaubhaft darlegen, dass sie alles dafür getan haben, den Einsatz im Vorfeld geheim zu halten. Die eigene Überraschung über die vielen Kameras und Blitzlichter vor Ort kundzutun, genügt dafür nicht. Sie müssen dem Verdacht nachgehen, wann und wie die Informationen aus den Reihen der Behörden abfließen konnten. Es handelt sich – mutmaßlich – um Geheimnisverrat.

Vermeintlich „gute“ Kontakte münden in Kooperationen

Derartige Inszenierungen, sollte dies eine gewesen sein, haben nicht nur politisch zwiespältige Folgen, sie sind auch ein Risiko für die Akteure der Sicherheitsbehörden. Möglicherweise lassen sich die nächsten Reichsbürger-Verdächtigen nicht so sanft abführen wie diese. Zudem ist aus rechtsstaatlicher Sicht stets fragwürdig, wie daraus entstehende Prangerwirkungen mit der gesetzlichen Unschuldsvermutung zu vereinbaren sind.

Darauf antworten könnten auch die beteiligten Medien, wenn sie es denn wollten. Es liegt nahe, dass es nicht glänzende Recherchekünste waren, die sie so nah an die Geschehnisse brachten, sondern ihre glänzende Kontakte in Behörden, die diese für ihre Zwecke zu nutzen verstehen.

Solche vermeintlich „guten“ Kontakte pflegen früher oder später in journalistisch-amtliche Kooperationen zu münden – wie im Fall von Ex-Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der die Hisbollah-Razzia 2020 exklusiv an die „Bild“-Zeitung verriet. Ein Geben und Nehmen. Bleibt es verborgen, wirkt es wie eine investigative Leistung. Wenn es aufgedeckt wird, sieht niemand gut dabei aus. Hier fehlt es an Distanz, auf beiden Seiten.

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