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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, ist in der Talkshow „Maischberger“ der ARD zu Gast.

© Foto: dpa/Oliver Ziebe

Habecks „Insolvenz“-Auftritt bei Maischberger: Viel mehr als ein kommunikatives Debakel

Der Wirtschaftsminister hatte einen missglückten Talkshow-Auftritt. Ärgerlich ist allerdings eine Krisenpolitik, die Reste von Ideologie enthält.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Der traditionsreiche Düsseldorfer Toilettenpapierhersteller Hakle hat Insolvenz angemeldet. Zwar geht der Durchschnittsdeutsche noch genauso oft aufs stille Örtchen wie früher, doch die Preise für Energie und Papier sind dramatisch gestiegen.

In Berlin wird derweil über Wärmestuben für diesen Winter nachgedacht, während das britische Magazin „Economist“ für Italien, Frankreich und Deutschland eine Rezession prognostiziert. Die Lage ist ernst, kein Zweifel.

Am Dienstagabend war Wirtschaftsminister Robert Habeck bei Sandra Maischberger zu Gast. Ob er eine Insolvenzwelle am Ende dieses Winters befürchte, wird Habeck gefragt. „Nein, das tue ich nicht“, sagt der Grüne und redet am Ernst der Lage haarscharf vorbei. Geschäfte, die aufhören zu produzieren und nichts mehr verkaufen und ihre wirtschaftliche Betätigung einstellen, müssten ja nicht „automatisch insolvent“ werden, sagt Habeck. Die Moderatorin schüttelt den Kopf, hakt nach, will sich das erklären lassen, aber präziser wird der Wirtschaftsminister nicht.

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Tags darauf ergießt sich in den sozialen Netzwerken, wie erwartet, Spott und Hohn über Habeck. Die Adjektive unter dem Hashtag #Gestammel reichen von „absurd“ über „peinlich“ bis „unterirdisch“. In der Tat war der Auftritt katastrophal, zum Fremdschämen.

Man muss Habeck – wie auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) – zugutehalten, dass sie rund um die Uhr bemüht sind, sich und ihre Politik zu erklären.

Ein Interview reiht sich an die nächste Talkshow, der Tag beginnt mit dem Morgenmagazin und endet bei Markus Lanz. Transparenz heißt das Gebot. Zwischendurch verhandelt die Ampelkoalition 22 Stunden lang über 65 Milliarden Euro schwere Entlastungspakete. Das zerrt an den Nerven. Zu wenig Schlaf verursacht Konzentrationsschwächen.

Das Gros ist bereit, durch einen harten Winter zu gehen

Doch gerade weil die Lage so ernst ist und noch ernster werden könnte – falls der chinesische Absatzmarkt für deutsche Produkte weiter schwächelt oder ein nach den Midterms republikanisch dominierter US-Kongress beschließt, die militärische und wirtschaftliche Verantwortung für die Ukraine überwiegend in europäische Hände zu legen –, wiegt jeder verunglückte öffentliche Auftritt doppelt schwer.

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Das Gros der Bevölkerung ist bereit, durch einen harten Winter zu gehen, wenn erstens die Handelnden Kompetenz ausstrahlen und zweitens die Krise und die mit ihr verbundenen Einschnitte als unvermeidbar dargestellt werden können. Dann ist die Reaktion wie nach einer Naturkatastrophe: Da müssen wir alle gemeinsam durch.

Die FDP sperrt sich nach wie vor gegen ein Tempolimit

Das heißt in diesem Fall: Alle Energiebeschaffungsalternativen zum russischen Erdgas müssen vorurteilsfrei geprüft und dann ausgeschöpft werden. Aber sind sie das? Die FDP sperrt sich nach wie vor gegen ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, wodurch jährlich 2,1 Milliarden Liter Benzin eingespart würden. Hinzu käme eine deutliche Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes.

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Billionen Kubikmeter Gas sind vermutlich unterirdisch in Deutschland vorhanden.

Die Grünen wiederum eiern bei der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke herum und lehnen jede Debatte über eine Aufhebung des Fracking-Verbotes kategorisch ab. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzt die unterirdischen Vorräte in Deutschland auf 2,3 Billionen Kubikmeter Gas. Eine Aufhebung des Verbots würde zwar für diesen Winter nichts mehr bringen, könnte aber mittel- und langfristig die deutsche Energiesicherheit erhöhen.

Eine unvermeidbare Krise kann solidarische Kräfte freisetzen. Wenn aber der Eindruck entsteht, dass aufgrund ideologischer Vorfestlegungen eine vermeidbare Energieknappheit entsteht, die die Preise ungebremst in die Höhe schnellen lässt, Unternehmen in die Insolvenz und Menschen in die Armut treibt, dann folgen daraus Verzweiflung, Wut und Aggression.

Habeck bei Maischberger: Das war ein kommunikatives Debakel. Ärger allerdings ist eine Politik, die sich den Vorwurf gefallen lassen muss, nicht wirklich alles zu tun, um die Energieknappheit zu bekämpfen. Wie ernst muss die Lage noch werden, damit sich auch der letzte Rest Ideologie in Pragmatismus verwandelt? Wer auf diese Frage die Antwort verweigert, nährt den Populismus der Montagsdemonstranten – von Links wie von Rechts.

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