zum Hauptinhalt
Friedrich Merz ist Vorsitzender der CDU.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Merz über „kleine Paschas“: Schlagworte helfen in Talkshows, aber nicht in der Realität

Die Politik ist gefangen in ihren Legislaturlogiken, die ungeeignet sind für komplexe Probleme. Vielleicht sollte man sich daran gewöhnen, dass sich nichts ändert.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Auf die viel beklagte „neue Dimension“ der nächtlichen Silvesterkrawalle folgt nun die neue Dimension der rhetorischen Eskalation, und ein hochrangiger Politiker wie der CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz sieht sich ermuntert, im ZDF über „kleine Paschas“ aus arabischen Familien herzuziehen, die man bei anhaltender Auffälligkeit des Landes verweisen sollte.

Das ist als Reaktion auf einen Fruststau so weit verständlich, wie man die auch den Krawallbrüdern zugestehen möchte. Aber man ist auch ziemlich schnell beim Aber.

In der Sache hilft das nämlich nicht weiter. Viel wahrscheinlicher ist, dass auch diese neuerlichen Eruptionen letzten Endes nicht zu einer Veränderung der Situation führen werden, sondern mit der Zeit einfach aus dem Fokus verschwinden.

Friedrich Merz hat „kleine Paschas“ als Problem ausgemacht.

© IMAGO/Future Image/M.Kremer

Dazu gehört, dass es „das Problem“ so nicht gibt. Es besteht längst aus vielen Problemen, die verwoben sind, vielschichtig, die tief greifen. Wie soll „die Politik“, gefangen in ihren Legislaturlogiken, die bewältigen können?

Besonders in den jetzt herrschenden Wahlkampfzeiten steht sie bekanntlich unter erheblichem Druck. Und sie behilft sich, indem sie kurzfristige Lösungen anpreist und vorgaukelt, die für komplexe Probleme ungeeignet sind.

„Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass langfristig nichts passiert“

Und so lassen die zurückliegenden Silvesterkrawalle sich für Reden, Talkshow-Auftritte, Krisengipfel und Zukunftskonzepte zwar knapp und knackig verschlagworten, aber in der Praxis entziehen sie sich dann trotzdem immer wieder dem einfachen und kurzfristigen Zugriff, der Ad-hoc-Behandlung. So war es auch bei vorangegangenen Jugendgewaltexzessen zu beobachten.

„Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass langfristig nichts passiert.“ So formulierte es Rainer Kilb, Experte für Jugendgewalt und Konfliktmanagement und emeritierter Dekan der Fachhochschule Mannheim. Das sei beim Thema Jugendkriminalität nicht anders als mit dem Verkehrsministerium, dessen Defizite ebenfalls zutage liegen, aber dennoch nicht angegangen würden, weil eine kurzfristige Behandlung nicht möglich sei.

Helfen könnte allein, auch das ein Einwurf von Kilb, wenn die Politik sich entschließen würde, das Problem Jugendgewalt jenseits von Parteitaktik zu behandeln, gleichsam wie den Ukraine-Krieg, nach dessen Beginn eine große Geschlossenheit vorherrschte.

Und tatsächlich dürfte das die womöglich einzige Chance sein, um den fetten Knoten aus Bildungsferne, Familiengewalt, Chancenlosigkeit, Frust, Angst, Wut, Migration, mangelnder Zugehörigkeit und Ablehnungserfahrungen aufzudröseln.

Mit dem Hammer, und sei es dem rhetorischen, draufhauen, verdichtet fürs Erste nur die Verknotungen und macht das Ganze noch unentwirrbarer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false