zum Hauptinhalt
Blumen und Kerzen markieren den Tatort bei Freudenberg.

© AFP/INA FASSBENDER

Strafmündig ab 12 Jahren?: Für ein Herabsetzen der Altersgrenze gibt es auch nach Freudenberg keine guten Erklärungen

Es spricht nichts dagegen, Kinder schon ab einem Alter von zwölf Jahren für Straftaten haftbar zu machen. Die zu klärende Frage ist: Was spricht dafür?

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Nachdem ein zehnjähriges Mädchen in Wunsiedel tot in ihrem Zimmer gefunden wurde, wird ein elfjähriger Junge verdächtigt, sie getötet zu haben. Nur rund einen Monat zuvor hatten zwei Mädchen im Alter von zwölf und 13 Jahren ein drittes getötet und dies gestanden. Zum Motiv in letzterem Fall wird gesagt, es gehe um „irgendwelche Emotionen“. Strafrechtliche Folgen drohen keine, die Verdächtigen sind zu jung. „Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist“, so steht es im Strafgesetzbuch.

Die Taten geben manchen erneut Anlass, eine Absenkung der seit 100 Jahren bestehenden Altersgrenze zu fordern. Auf zwölf Jahre zum Beispiel. So handhaben es andere, durchaus entwickelte Nationen. Dass Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres strafrechtlich Kinder bleiben, ist eine willkürliche Grenze wie die Volljährigkeit mit 18. Es gibt keine empirischen Befunde, die den Gesetzgeber festlegen würden.

Was soll, was kann Strafe? Auf diese Frage suchen viele eine Antwort – seit Ewigkeiten. Wirklich fündig wurde man nicht, und gesucht wurde vor allem in der Welt der Erwachsenen. Mal wird die Perspektive des Täters akzentuiert, mal die des Opfers, mal die von Staat und Gesellschaft. Strafe muss sein. Viel klüger sind wir nicht geworden.

Für Jugendliche hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass Strafe bei ihnen besonders bedacht eingesetzt werden muss. Sie kann mehr schaden als nutzen, und die allermeisten Fälle erledigen sich dadurch, dass Delinquenten älter werden.

Tödliche Gewalt von Kindern, zumal von Mädchen, ist eine absolute Ausnahme; ein Vorfall aus einer Rätselwelt. „Schuldfähig“ heißt, sich im Bewusstsein über sich selbst und der Gesetze gegen das Recht und für das Unrecht zu entscheiden. Konnten die Mädchen das? Oder möchten wir, dass sie es konnten – um zu strafen?

Der Satz, wonach „irgendwelche Emotionen“ entscheidend waren, ist in seiner Rat- und Hilflosigkeit die treffendste Beschreibung dessen, was sich in den Köpfen ereignet haben mag.

Von weiteren Erforschungen in den Kinderseelen wird wenig zu erfahren sein, weil es sich um Kinder handelt. Die brauchen Schutz, auch wenn sie Täter sind.

Wenn der Sinn staatlicher Strafe bei Erwachsenen uneindeutig und sie bei Jugendlichen fragwürdig ist, – wie soll sie bei Kindern wirken? Das müsste gut erklären, wer die Grenze senken will.

Es gibt aber keine guten Erklärungen nach den Taten in Freudenberg und Wunsiedel. Es gibt nur Verlust, Trauer und zerstörte Familien.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false