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Verfahren der AfD gegen die Bundesrepublik Deutschland

© imago/Rüdiger Wölk/imago/Rüdiger Wölk

AfD klagt gegen Verfassungsschutz: „James Bond macht keine Pressekonferenzen“

Im Streit um ihre Einstufung wirft die AfD dem Verfassungsschutz vor, er hätte den Verdacht gegen sie nicht publik machen dürfen – für das Gericht ein bedenkenswerter Punkt.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit Sitz in Köln-Chorweiler ist keine gewöhnliche Behörde. Das Amt ist der Inlandsgeheimdienst der Bundesrepublik, es darf und soll ausspionieren, wer etwas gegen diese Bundesrepublik unternimmt, welche verfassungsfeindlichen „Bestrebungen“ es gibt. In vielen anderen Staaten, die ebenfalls als liberale Demokratie konstituiert sind, eine unübliche Funktion. Noch weniger üblich, dass die Behörde eine im Parlament vertretene Partei als Ganze ins Visier nimmt – und dies dann öffentlich verkündet.

Um diesen Punkt, die öffentliche Bekanntgabe als „Verdachtsfall“ bei einer Pressekonferenz, ging es am vierten Tag im Prozess der AfD gegen das BfV vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster. Die AfD greift in drei Berufungsverfahren ihre Einstufung als Verdachtsfall sowie die Einstufung ihrer Jugendorganisation „Junge Alternative“ und des „Flügels“ als „gesichert rechtsextrem“ an.

Man muss hier sehr, sehr vorsichtig sein.

Michael Weber, Richter des Fünften Senats am Oberverwaltungsgericht NRW, über die rechtlichen Grundlagen zu Verkündung von Partei-Verdachtsfällen

Hat das BfV schon mit der Kundgabe seine Befugnisse überschritten und die verfassungsmäßigen Rechte einer – nicht verbotenen – Partei beschnitten? Der Fünfte Senat wird darauf mehr Augenmerk legen als das in erster Instanz zuständige Verwaltungsgericht Köln, das die Klagen abgewiesen hatte. Richter Thomas Jacob meinte, die Lage bei einem Geheimdienst sei eigentlich so: „James Bond macht keine Pressekonferenzen, sondern M. berichtet an den Premierminister.“

Mit der Verkündung eines „Prüffalls“ hatte sich der Verfassungsschutz verstolpert

Tatsächlich ist es ungesichertes Terrain, auf das sich das BfV begeben hat. Bei der frühzeitigen Verkündung eines bloßen AfD-„Prüffalls“ war man gestolpert, die AfD klagte dagegen mit Erfolg. Die Partei macht nun geltend, auch der nächste Schritt, die Kundgabe des Verdachtsfalls, hätte nicht erfolgen dürfen.

AfD-Anwalt Christian Conrad hält der Behörde vor, sie habe damit gegen Artikel 21 des Grundgesetzes verstoßen, der die Stellung der Parteien regelt und festigt. Parteien seien kein Verdachtsfall wie jeder andere. Das Amt hätte sich, wenn überhaupt, darauf beschränken müssen, deutlich nüchterner über „Anhaltspunkte für verfassungswidrige Bestrebungen“ zu informieren. Das aber sei dem BfV wohl nicht „catchy“ genug gewesen.

Immerhin, seit ein paar Jahren steht eine ausdrückliche Rechtsgrundlage im einschlägigen Gesetz. Dort ist zwar nicht von Verdachtskundgaben die Rede, aber doch von „Information der Öffentlichkeit“. Darauf beruft sich der Verfassungsschutz bei seinem Handeln und betont, die Abstufungen seien durch die Gerichte herausgearbeitet worden. So klar ist das alles für das OVG aber nicht. Man müsse hier angesichts der Stellung von Parteien im Verfassungsgefüge „sehr vorsichtig sein“, erklärte der Berichterstatter in dem Verfahren, Richter Michael Weber. Es handele sich um einen wesentlichen Aspekt des Verfahrens.

Es kommt noch einiges zu auf das Gericht. Die AfD hatte angekündigt, noch hunderte Beweisanträge stellen zu wollen. Damit soll es Ende April weitergehen, wenn der Prozess fortgesetzt wird. Mit dem Verhandlungsprogramm als solchem ist der Gerichtssenat aber am Freitag zum Ende gekommen. „Ich möchte festhalten, dass wir sachorientierte Gespräche geführt und Spannungslagen aufgedeckt haben“, sagte der Senatsvorsitzende Gerald Buck.

Wann es ein Urteil geben wird, ist weiter unklar. Es hat sich aber gezeigt, dass der Senat die Klagen der AfD umfassender prüfen will, als das Verwaltungsgericht es getan hatte. Möglicherweise werden auch noch Zeugen gehört. Das Gericht kann zuhören. Auch am Freitag durfte die AfD wiederum, wie schon Mitte März, Parteimitglieder mit Migrationsgeschichte sprechen lassen, diesmal aus dem Osten Deutschlands.

Von Ausländerfeindlichkeit und Rassismus, bekundeten beide, sei nichts zu spüren. Im Gegenteil, sagte Alexander Tassis, der seit Gründung des Brandenburger Landesverbands Mitglied ist und für die AfD in Bremen der erste offen schwule Landtagsabgeordnete wurde. Er habe sich immer aufgehoben gefühlt.

Die AfD, eine Wohlfühlpartei für diskriminierte Minderheiten? Ihre Funktionäre haben sich viel Mühe gegeben, ein solches Bild in Münster abzugeben. Hunderte von Belegen, die der Verfassungsschutz zusammengetragen hat, sprechen eine andere Sprache. Sie werden möglicherweise ausreichen, um zumindest einen Verdacht gegen die Partei als Gesamtheit zu rechtfertigen.

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