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Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will noch im Mai seine Pläne für eine Wehrpflicht präsentieren.

© dpa/Frank May

„An Schweden orientieren“: Günther erwartet Beschluss der CDU zur Wiedereinführung der Wehrpflicht

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident sieht darin einen ersten Schritt zu einer allgemeinen Dienstpflicht. Die CSU will zunächst wieder nur Männer einziehen.

Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist auch die Frage der Stärke der Bundeswehr wieder enorm in der Fokus gerückt. Neben den finanziellen Mitteln und der Bewaffnung geht es vor allem um die Sollstärke der Truppe. Die Personalgewinnung der Bundeswehr ist in den vergangenen Jahren nicht vorangekommen. Es gibt enorme Zweifel, dass auf dem bisherigen Weg von aktuell 181.000 bis 2031 die Zielmarke von 203.000 Männern und Frauen in Uniform erreicht werden kann.

Vor diesem Hintergrund wird intensiv darüber diskutiert, die 2011 nach 55 Jahren ausgesetzte Wehrpflicht in Deutschland wiedereinzuführen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will noch im Mai seine Pläne für eine Dienstpflicht präsentieren.

Wir brauchen die Wehrpflicht, um auf Dauer genug Personal für die Bundeswehr zu rekrutieren.

Daniel Günther, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident (CDU)

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther machte nun deutlich, dass er mit einem Beschluss des am Montag beginnenden CDU-Bundesparteitags zur Wiedereinführung der Wehrpflicht rechnet.

„Wir brauchen die Wehrpflicht, um auf Dauer genug Personal für die Bundeswehr zu rekrutieren“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Wehrpflicht müsse schnell wieder eingesetzt werden – 2030 sei es zu spät. Bereits jetzt könne etwa bei der Marine fast jede zweite freie Stelle nicht mehr besetzt werden. „Wir werden uns auf dem Parteitag dafür einsetzen, dass die CDU sich im Grundsatzprogramm für die Wehrpflicht ausspricht“, kündigte Günther an. Er gehe davon aus, dass die Delegierten dem Antrag folgen würden.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will noch im Mai seine Pläne für eine Dienstpflicht präsentieren.

© Imago/Panama Pictures/Christoph Hardt

Günther warb dafür, sich am offenbar auch von Pistorius präferierten schwedischen Modell zu orientieren: Es könne nicht darum gehen, wie früher ganze Jahrgänge einzuziehen. Dafür seien die Strukturen aktuell nicht vorhanden. „Man könnte sich am schwedischen Modell orientieren, nach dem alle 18-Jährigen eines Jahrgangs angeschrieben werden und einen entsprechenden Fragebogen ausfüllen müssen. Die geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten werden dann zur Musterung geladen“, so Günther.

In Schweden werde dadurch der Bedarf an Soldatinnen und Soldaten allein aus Freiwilligen gedeckt. „Das kann auch ein Modell für uns sein.“ In einem zweiten Schritt müsse dann die Wehrpflicht mit der allgemeinen Dienstpflicht auf eine neue Basis gestellt werden.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Florian Hahn (CSU), empfahl dem Verteidigungsminister dagegen den direkten Weg zur Wehrpflicht: „Wir als CSU sagen: Das Einfachste ist es dann, die alte Wehrpflicht, also nur für Männer, wieder einzusetzen. Das geht schnell mit einer einfachen Mehrheit im Deutschen Bundestag“, sagte er der „Welt“.

Voraussetzung für einen solchen Schritt sei aber „zunächst einmal das Bekenntnis, dass wir die Bundeswehr ausreichend finanzieren“. Zudem müsse die Infrastruktur der Bundeswehr vor einer Rückkehr zur Dienstpflicht erweitert werden, um die zusätzlichen Soldaten auch unterbringen, ausbilden und mit dem nötigen Material ausstatten zu können. „Erst wenn diese Basis geschaffen und die militärische Notwendigkeit begründet ist, wäre die Union auch für eine Dienstpflicht“, so Hahn.

203.000
Frauen und Männer soll die Bundeswehr 2031 stark sein. Dies ist bisher die Zielmarke.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vor wenigen Wochen deutlich gemacht, dass die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Menschen in Deutschland für unwahrscheinlich hält. Einen „Wehrdienst wie früher“ werde es nicht mehr geben. Ein Grund für die Aussetzung der Wehrpflicht sei auch gewesen, dass die Einberufungspraxis in den vorangegangenen Jahren ungerecht gewesen sei. Ein allgemeiner Pflichtdienst – für junge Frauen und Männer – sei ohne Grundgesetzänderung nicht möglich, sagte Scholz.

Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Müller, signalisierte mit Blick auf Pistorius‘ Personalpläne Kompromissbereitschaft, betonte allerdings, dass die Liberalen sich aktuell gegen einen wie auch immer gearteten Pflichtdienst stellten. „Der Entzug der Freiheit junger Menschen muss sehr gut begründet werden, und eine solch bedrohliche Lage haben wir absehbar nicht“, sagte Müller. Seine Fraktion sei aber „bereit, über alle Modelle und Vorschläge zu verhandeln, die die Personaldecke der Bundeswehr auf freiwilliger Basis wieder stärken können“, sagte er der Zeitung.

Bei den Grünen hatten sich sowohl Parteichefin Ricarda Lang als auch ihr Co-Vorsitzender Omid Nouripour skeptisch geäußert. „Wir sehen gerade keine schlüssige Begründung dafür, warum man zur Wehrpflicht zurückkehren sollte. Aufgrund der juristischen Probleme, aufgrund der Kosten und auch der Frage, was wir einer jungen Generation gerade signalisieren, die viel opfern musste innerhalb der letzten Jahre“, so Lang zuletzt bei RTL. Auch die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Sara Nanni hält eine Rückkehr zur Wehrpflicht für einen „falschen Weg“.

Kretschmer will Volksabstimmung über Wehrpflicht

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich, verlangt eine offene Debatte über das Thema. „So falsch die einfache Aussetzung durch den Kabinettsbeschluss aus dem Jahr 2011 war, so notwendig ist heute die breite gesellschaftliche Diskussion über und Akzeptanz für neue Konzepte zur Personalgewinnung in der Bundeswehr“, sagte Hellmich dem Blatt.

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Seine Fraktion werde das Thema Wehrpflicht auf Grundlage Vorschläge des Verteidigungsministers diskutieren. „Wir brauchen, und das ist Fakt, mehr Menschen, die willens und fähig sind, in den Streitkräften für unser Land zu dienen“, so der SPD-Politiker.

Sachsens CDU-Landeschef und Ministerpräsident Michael Kretschmer kommt dagegen mit einem ganz anderen Vorschlag zum Parteitag in Berlin.

Er plädiert dafür, dass man das Thema „den Bürgerinnen und Bürgern insgesamt zur Abstimmung vorlegt“. Bundestag und Bundesrat könnten das Ergebnis einer solchen Volksabstimmung dann in der Gesetzgebung nachvollziehen. „Das wäre wichtig für die Akzeptanz, sollte die Wehrpflicht wieder eingeführt werden“, erklärt Kretschmer. (lem)

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