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Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, spricht bei einem Interview über das Fake-Telefonat mit dem vorgeblichen Vitali Klitschko.

© Foto: dpa/Christoph Gateau

Zusammenhang mit Ukraine-Krieg?: Anrufe von falschem Klitschko alarmieren Ampel-Koalition

Der Fake-Anruf bei Berlins Regierungschefin wirft viele Fragen auf. Innenpolitiker fürchten neue Betrugstechniken, die die Demokratie untergraben könnten.

Nach dem Telefonat der Regierenden Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey mit einem falschen Vitali Klitschko wächst in der Ampel-Koalition die Sorge vor ganz neuen Formen der Spionage und hybriden Kriegsführung.

Das sei ein beunruhigendes Beispiel für die Gefahr von „Deep Fakes“ in der Politik, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle dem Tagesspiegel. Die Deep-Fake-Technologie ist eine besondere Form der Künstlichen Intelligenz, bei der Systeme durch ausgiebige Beobachtung von Menschen zum Beispiel ihre Mimik und Sprache erlernen und nachahmen können.

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„Wenn Wählerinnen und Wähler nicht mehr erkennen können, ob ein Videoschnipsel ein echtes Zitat eines Politikers zeigt oder ob es sich dabei um eine Fälschung handelt, sind Missbrauch Tür und Tor geöffnet“, sagte Kuhle. „Autoritäre Regime wie China und Russland können Deep Fakes verwenden, um Willensbildungsprozesse in Demokratien zu beeinträchtigen.“ Daher müssten auch das Auswärtiges Amt und die Nachrichtendienste eingebunden werden.

Im Fall Giffey müsse aber auch geklärt werden, wie die Gesprächsanbahnung stattgefunden habe, betonte Kuhle. Zudem habe er folgende Fragen: "Gab es bei der Vorbereitung des Termins Auffälligkeiten? Wer steckt hinter der Fälschung? Und welches Interesse haben die dahinter stehenden Personen im Krieg in der Ukraine?"

Da es neben dem Gespräch mit Franziska Giffey offenbar ähnliche Vorfälle mit den Bürgermeistern von Wien und Madrid gegeben habe, müssten entsprechenden Informationen nun mit den europäischen Partnern abgeglichen werden, forderte der FDP-Innenexperte.

Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, spricht während einer Abschiedszeremonie für Oleh Kutsyn, der bei einem Gefecht mit russischen Truppen in der Nähe von Isjum ums Leben kam.

© dpa

Echter Klitschko will mit Giffey sprechen

In betrügerischen Anrufen hatte sich ein Unbekannter als Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, ausgegeben. Digital manipulierte Videoschalten gab es auch mit den Bürgermeistern von Madrid und Wien. Im Fall der Schalte mit Giffey ermittelt nun der Staatsschutz. Der echte Klitschko sagte der „Bild“, der Anrufer habe absurde Dinge von sich gegeben. So forderte dieser Giffey auf, nach Berlin geflüchtete Männer zum Kriegsdienst nach Kiew zurückzuschicken.

Der echte Klitschko bot Giffey ein baldiges Gespräch an. „Ich hoffe, dass wir bald über meine offiziellen Kanäle telefonieren können." Er fügte hinzu: „Ich brauche dann auch keine Übersetzer.“

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Senat rekonstruiert Anbahnung des Gesprächs

Nach Angaben der Senatssprecherin ging die Anfrage für ein Gespräch mit Bürgermeister Klitschko am 2.Juni per E-Mail bei der Senatskanzlei ein. "Die allgemeine Themensetzung wurde aus der Ursprungsemail klar und war schlüssig. Angekündigt waren die Themen: künftige Zusammenarbeit der beiden Städte in den Bereichen Wirtschaft und Kultur, humanitäre Projekte in der Ukraine und die aktuelle Lage im Land", teilte Giffeys Sprecherin mit.

Es sei insbesondere seit Kriegsbeginn nicht ungewöhnlich über Email-Adressen kontaktiert zu werden, die ohne institutionelle Email-Signatur oder Domain seien.

Die ukrainische Botschaft habe ebenfalls Kenntnis von dem geplanten Gespräch gehabt, da es auch beim Treffen mit dem Botschafter und Sondergesandten der Ukraine am 7.6.  in der Senatskanzlei kurz Thema gewesen sei, allerdings seien sich Giffey und Klitschko zuvor noch nie persönlich begegnet.

Auch bei der Stadt Wien soll Recherchen des österreichischen "Falter" zufolge eine solche Mail eingegangen sein. Hier habe die Mailadresse "mayor.kyiv@ukr.net" geheißen. Ein angeblicher Mitarbeiter von Klitschko habe bei dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig angefragt. Anschließend sei ein Videotermin für den 22. Juni ausgemacht und die österreichische Botschaft informiert worden.

Der FDP-Innenpolitiker und Fraktionsvize Konstantin Kuhle (FDP) warnt vor den Folgen von "Deep Fakes".

© Britta Pedersen/dpa

SPD-Fraktion: Ziel offenbar, brisante Aussagen zu entlocken

„Der Vorfall zeigt die hohe Bedeutung vertrauenswürdiger Kommunikationskanäle und Sicherheitsvorkehrungen“, sagte der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, dem Tagesspiegel. „ Es ist zu vermuten, dass bereits bei der Anbahnung des Gesprächs Warnsignale erkennbar gewesen wären.“ Die technischen Möglichkeiten von Deep Fakes als Instrument von Desinformationskampagnen seien eine ernstzunehmende Gefahr.

Im vorliegenden Fall sei offenbar versucht worden, der echten Bürgermeisterin brisante Aussagen zu entlocken. Insofern handele es sich um einen besonders schweren Fall. Ein deep fake sei in eine live geführte Videokonferenz implementiert worden. „Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass dies mit dem Ziel von Spionage oder Kompromittierung erfolgte", sagte Zimmermann.

Sollte es sich um eine mit dem Krieg gegen die Ukraine in Zusammenhang stehende Aktion handeln, dürften aber Strafverschärfungen kein wirksames Mittel darstellen, „da die Täter dann im Ausland zu vermuten sind und möglicherweise aus dem geheimdienstlichen Umfeld stammen könnten.“

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