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Es kommen viele an: Wartende Menschen stehen vor dem Landesamt für Einwanderung in Berlin (Aufnahme aus dem Jahr 2020).

© dpa/photothek/Janine Schmitz/Bearbeitung Tagesspiegel

Behörden am Limit: Wie kann das Migrationsrecht vereinfacht werden?

Sehr viele Geflüchtete kommen in Deutschland an, und dann ist da noch die Erwerbsmigration. Die Behörden sind überlastet. Was ließe sich vereinfachen? Drei Meinungen zum Thema.

Wie kann die Ankunft von vielen Geflüchteten in den Kommunen vor Ort bewältigt werden? Unterkunft, Versorgung, Integration: Das Problem hat viele Facetten. Ein kleiner Baustein: Immer wieder beklagen sich die Verantwortlichen in Städten und Gemeinden, das Migrationsrecht sei zu kompliziert. Es gebe zu viele Aufenthaltstitel, die Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ausländerbehörden würde sehr viel Zeit kosten.

Wie könnte das Migrationsrecht vereinfacht werden, nicht nur im Umgang mit Geflüchteten, sondern auch für andere Migranten? Und ist das überhaupt notwendig? Zwei Experten und eine Expertin geben ihre Einschätzung. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Digitalisierung ist der Schlüssel

Digitalisierung ist der Schlüssel für Vereinfachung im Ausländerrecht. Zukünftig müssen Anträge, Verfahren sowie biometrische Daten vollständig digital abgebildet werden können. Ein hohes Entlastungspotenzial versprechen insbesondere Änderungen im Visumverfahren. Hier kann es um die Geltungsdauer von Aufenthaltserlaubnissen sowie besonders aufwändige Prüfungen, wie die Berechnung des angemessenen Lebensunterhalts, gehen.

Durch Änderungen im Aufenthaltsrecht sollten die in zahlreichen Fällen entbehrlichen Zustimmungserfordernisse der Ausländerbehörden und die Zahl der Vorsprachen in den Behörden deutlich reduziert werden. 

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds

Durch Änderungen im Aufenthaltsrecht sollten die in zahlreichen Fällen entbehrlichen Zustimmungserfordernisse der Ausländerbehörden und die Zahl der Vorsprachen in den Behörden deutlich reduziert werden. Konkret schlagen wir vor, die Geltungsdauer des sog. D-Visums in Fällen der Erwerbs- und Bildungsmigration auf zwölf statt bisher drei oder sechs Monate sowie die Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis für subsidiär Schutzberechtigte auf drei Jahre zu verlängern.

Außerdem könnte die aufwändige Prüfung der Sicherung des angemessenen Lebensunterhalts durch Pauschalierungen vereinfacht werden. Die Anerkennung von Qualifikationen sowie die Erteilung von Aufenthaltstiteln für qualifizierte Fachkräfte sollte verschlankt werden, die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit kann in vielen Fällen entfallen.


Wir sägen auch am Rechtsstaat

Das Asylrecht fragt: Warum kannst du nicht zurück in deine Heimat? Das Aufenthaltsrecht fragt: Warum musst du in Deutschland sein? Da geht es also zum Beispiel um einen Job oder einen Ehepartner. Das ist ein wesentlicher Unterschied, den man im Hinterkopf haben sollte. Gerade beim Asylrecht gilt: Wenn wir vereinfachen und beschleunigen wollen, sägen wir immer auch am Rechtsstaat.

Wir werden den Zustrom der Menschen aus aller Welt auch in den kommenden Jahrzehnten kaum begrenzen können.

Martin Manzel, Fachanwalt für Migrationsrecht

Wenn die Verfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschleunigt werden, bedeutet dies konkret: Es wird schnell abgelehnt, gegen alle Ablehnungsbescheide ist aber immer auch der Rechtsweg eröffnet. Dann klagen die Leute vor den Verwaltungsgerichten, die ohnehin heillos überlastet sind. Wir verlagern damit die Problematik nur. Mit einem guten Anwalt an der Seite kann ein solches Verfahren gut und gern fünf Jahre dauern.

Wir werden den Zustrom der Menschen aus aller Welt auch in den kommenden Jahrzehnten kaum begrenzen können. Viel wichtiger ist: Was machen wir mit den Menschen, wenn sie hier sind? Dies dürfte die größte Herausforderung sein, die wir zu bewältigen haben.  


Es braucht transparente und verständliche Regelungen

Grundsätzlich setzt die Ampel-Koalition darauf, bürokratische Hürden abzubauen und die bestehende Behördenlandschaft – wo es nötig ist – zu reformieren, um Ämter und Mitarbeitende zu entlasten. Geprüft werden zum Beispiel die Reduzierung der persönlichen Vorsprache und der Ausbau digitaler Optionen.

Grundsätzlich setzt die Ampel-Koalition darauf, bürokratische Hürden abzubauen und die bestehende Behördenlandschaft – wo es nötig ist – zu reformieren, um Ämter und Mitarbeitende zu entlasten. 

Lamya Kaddor (Grüne), Bundestagsabgeordnete und innenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion

Außerdem werden das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung und das Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts dazu beitragen, transparente und verständliche gesetzliche Regelungen zu schaffen.

Schritte wie die Einführung einer sogenannten Chancen-Karte, eine erleichterte Einwanderung für qualifizierte Fachkräfte gemeinsam mit ihren Familien und die Ermöglichung der Mehrfachstaatsangehörigkeit werden die deutsche Migrationspolitik vereinfachen. Migration muss positiv gestaltet und Zuwanderung ermöglicht werden, um Deutschland zu befördern, endlich ein attraktives Einwanderungsland zu werden, in dem sich Menschen dauerhaft für das Leben und Arbeiten begeistern können.

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