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Volkskrankheit Depression - neue Behandlungsansätze könnten Linderung bringen.

© dpa

Stigmatisierung aller Substanzen ist schädlich: Bei Depressionen können psychedelische Drogen helfen

In Deutschland werden psychedelische Drogen verteufelt - statt sie zu nutzen. Doch es ist falsch, Betroffenen diese Möglichkeit vorzuenthalten. Eine Kolumne

Eine Kolumne von Max Tholl

Die Depression fühlt sich wie Isolationshaft in der Negativspirale an. Für viele Betroffene ist es ein enormer Kraftakt, sich daraus zu befreien. Doch eine Studie macht jetzt Hoffnung, dass dies mittels eines Wirkstoffes einfacher gelingen könnte.

Das Problem: Die Substanz ist eine psychedelische Droge und somit illegal. Die Untersuchung, vorgestellt im Fachmagazin „nature medicine“, ergab, dass der Wirkstoff Psilocybin, der in psychoaktiven Pilzen enthalten ist, die funktionale Konnektivität im Gehirn erhöht und dadurch hilft, andere, positivere Denkweisen zu entwickeln – sogar erfolgreicher als herkömmliche Antidepressiva.

Hinweise darauf, dass halluzinogene Drogen eine Alternative bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen sind, mehren sich seit Jahren. Doch die Forschung gestaltet sich noch schwierig, nicht zuletzt wegen der Substanzbeschaffung. Hindern ideologische Vorbehalte und Scheuklappendenken die Politik daran, hier die Entwicklung stärker voranzutreiben?

Schon ein oder zwei Sitzungen können nachhaltig wirken - sagt eine neue Studie

Ein Blick auf die Zahlen macht klar, dass pandemiebedingt eine akute Gesundheitskrise droht, auf die das Gesundheitswesen unzureichend vorbereitet ist: Die bereits enorm hohe Nachfrage nach Therapieplätzen stieg um satte 40 Prozent – bei durchschnittlichen Wartezeiten von sechs Monaten.

Selbst wer einen Platz ergattert oder vielleicht auch medikamentös behandelt wird, hat keine Garantie auf schnelle Besserung. Viele leiden an behandlungsresistenten Depressionen, die sich mit konventionellen Mitteln nur schwer in den Griff kriegen lassen. Gerade hier könnten alternative Therapieformen mit psychedelischen Drogen für Besserung sorgen. Zumal offensichtlich schon ein oder zwei Sitzungen nachhaltig wirken können.

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Es ist bezeichnend, dass solche Substanzen wegen ihrer potentiellen Risiken wie Plutonium behandelt werden, während Antidepressiva mit zahlreichen Nebenwirkungen immer häufiger verschrieben werden. Das Pauschalisieren und Stigmatisieren dieser Drogen verhindert, dass man ihre medizinischen Vorteile nutzt.

In den USA etwa genießt Psilocybin schon offiziell den Status als „bahnbrechende Therapie“, und seine Entwicklung als Arzneimittel wird stark gefördert. Hierzulande bewies man sich bisher beim medizinischen Einsatz von illegalen Substanzen wie Cannabis als zögerlicher Nachzügler. Es scheint, als fehle beim Thema Drogen allzu oft die nötige Trennschärfe, um zwischen Problem und Nutzen zu unterscheiden, als wäre jede Droge erstmal als schädliches Rauschmittel zu betrachten.

Auch das gesellschaftliche Verständnis gewisser Substanzen ist irregeleitet. Der positive Effekt, den LSD oder Magic Mushrooms auf den Geist haben können, dient mittlerweile als Instrument der Selbstoptimierung. In Anlehnung an Steve Jobs und andere Techgurus des Silicon Valley verbreitet sich die illegale Einnahme minimaler Dosen zur Produktivitäts- und Kreativitätssteigerung. Der Hype um das „Microdosing“ zementiert dabei die Auffassung, dass es sich bei diesen Drogen um Gehirndoping im Selbstversuch statt um vielversprechende Therapiemittel handelt.

Psychedelische Drogen sind weder Zauberformel noch harmlos, aber sie können ein zusätzlicher Baustein in der Behandlung von psychischen Erkrankungen sein. Dazu braucht es eine politische und gesellschaftliche Bewusstseinsveränderung – ganz ohne Rausch.

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