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BND-Chef Bruno Kahl

© imago/Christian Ditsch

BND-Chef in Erklärungsnot: Kahl nennt Spionagefall erstmals eine „Katastrophe“

Im Prozess gegen einen BND-Mitarbeiter wegen Landesverrats sagt der Chef des deutschen Auslandsnachrichtendienstes aus. Bruno Kahl muss sich für frühere Aussagen rechtfertigen. 

Um kurz vor 10 Uhr betritt Bruno Kahl den Saal 145a des Berliner Kammergerichts. Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes nimmt auf dem Zeugenstuhl Platz. Er soll im Landesverrats-Prozess gegen einen BND-Mitarbeiter und einen weiteren Beschuldigten aussagen. Der mutmaßliche Verrat von Geheimnissen an Russland bringt den deutschen Nachrichtendienst und dessen Chef in Erklärungsnot.

Es ist der 17. Verhandlungstag in diesem Prozess, bisher haben vor allem Ermittlungsbeamte des Bundeskriminalamtes ausgesagt. Dass der BND-Chef in dieser Phase des Verfahrens selbst Rede und Antwort stehen soll, ist ungewöhnlich. Ausschlaggebend für die Ladung des Zeugen sei ein Interview gewesen, das Kahl im Juli vergangenen Jahres dem Tagesspiegel gegeben habe, sagt der Vorsitzende Richter Detlev Schmidt.

Kahl soll Äußerungen im Tagesspiegel-Interview erklären

In dem Gespräch, sieben Monate nach der Festnahme des BND-Referatsleiters Carsten L. geführt, war Kahl offenbar vor allem um Schadensbegrenzung bemüht. Denn der Ruf seines Dienstes ist durch den spektakulären Fall, der erst nach dem Hinweis eines ausländischen Dienstes entdeckt worden sein soll, ramponiert.

„Gott sei Dank sind die Menge dessen, was abgeflossen ist, und die Verwertbarkeit sehr überschaubar“, sagte er dem Tagesspiegel damals. Das Wichtigste sei, dass es sich nicht um Material gehandelt habe, das der BND von anderen Diensten bekommen hatte. „Das war Glück im Unglück.“

Für den Prozess sind diese Aussagen schon allein deshalb von Bedeutung, weil die Frage, wie schwer der durch den mutmaßlichen Verrat entstandene Schaden war, im Fall einer Verurteilung Auswirkungen auf das Strafmaß haben könnte. War also alles nur halb so schlimm?

Ein Innentäter ist mit das Schlimmste, was einem Nachrichtendienst passieren kann.

Bruno Kahl, BND-Präsident

Vor Gericht klingt der Zeuge Bruno Kahl nun allerdings ganz anders. Aus Sicht des BND sei der Fall „eine Katastrophe“ gewesen. „Ein Innentäter ist mit das Schlimmste, was einem Nachrichtendienst passieren kann.“ Dies sei, so sagt Kahl es nun, in der Formulierung „Glück im Unglück“ nur unzureichend wiedergegeben.

Warum er dann also im Interview über „Glück im Unglück“ geredet habe? „Meine Absicht ist natürlich, den Schaden nicht noch größer werden zu lassen“, sagt Kahl vor Gericht. „In der Öffentlichkeit musste ich den Reputationsschaden einhegen.“ Vor dem Berliner Kammergericht ist der BND-Chef nun bemüht, deutlich zu machen, dass seine beiden Aussagen – im Interview und im Verfahren – aus seiner Sicht nicht im Widerspruch stehen.

Für die Bundesrepublik sei der Fall ein „schweres Unglück“ gewesen, weil die internationale Zusammenarbeit gefährdet worden sei. Der BND-Chef spricht von einem „schweren Reputationsschaden“ für seinen Dienst. Seine Aussagen im Tagesspiegel hätten sich auf ein Worst-Case-Szenario bezogen.

BND-Chef zieht Vergleich zu einem Flugzeugabsturz

Zur Erläuterung zieht Kahl vor Gericht einen Vergleich: Wenn bei einem Flugzeugabsturz 20 Menschen überlebten und 80 ums Leben kämen, sei dies „immer noch eine Katastrophe“. Der Schaden hätte allerdings noch größer sein können. Ob also 80 Prozent des größtmöglichen Schadens eingetreten seien, fragt die Verteidigung. Der BND-Chef bejaht dies.

Der Verratszeitraum sei relativ kurz gewesen, betont Kahl nun. „Es ist in kurzer Zeit gelungen, den Verdächtigen zu identifizieren und ihm das Handwerk zu legen.“ Der entscheidende Hinweis auf den mutmaßlichen Verrat kam allerdings nicht aus dem BND selbst, sondern von einem ausländischen Nachrichtendienst.

Vertrauen ausländischer Dienste war „erschüttert“

Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass sich ausländische Partnerdienste nach dem Bekanntwerden des Falls sehr gut überlegen, ob sie sensible Informationen überhaupt noch mit den Deutschen teilen können. Kahl hat dagegen im vergangenen Sommer in dem Interview sogar von einer gestärkten Vertrauensbasis im Verhältnis zu anderen Diensten gesprochen. Auf Nachfrage betont Kahl nun, das schließe nicht aus, „dass es temporär sehr wohl sehr große Belastungen gegeben hat“.

Sowohl der BND-Chef als auch seine Stellvertreter waren Kahls Aussage zufolge über einen Zeitraum von mehreren Monaten bemüht, im persönlichen Gespräch mit der Leitung anderer Nachrichtendienste die Bedenken auszuräumen. „Der BND hat auf allen Ebenen versucht, erschüttertes oder verloren gegangenes Vertrauen von anderen Nachrichtendiensten zurückzugewinnen.“

Wie groß das Ausmaß des mutmaßlichen Verrats war und wie die ausländischen Geheimdienste tatsächlich reagierten, will der BND-Chef in einer öffentlichen Verhandlung nicht beantworten. Über diese Fragen wurde am Mittwochnachmittag unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter verhandelt.

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