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Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verkündet das Urteil in Sachen ·Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung.

© dpa/Uli Deck

Karlsruhe zur Elternschaft: Warum leibliche Väter ab jetzt ein Grundrecht haben

Wer ein Kind zeugt, konnte trotzdem von der rechtlichen Vaterschaft ausgeschlossen bleiben. Das muss sich ändern - sogar eine Doppel-Vaterschaft ist künftig denkbar. Eine Analyse.

Leibliche Väter werden es künftig einfacher haben, ihre Vaterschaft auch rechtlich anerkennen zu lassen. Dies folgt aus einem am Dienstag vom Bundesverfassungsgericht verkündeten Urteil. Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), wonach Vaterschaftsanfechtungen bei bestehenden sozial-familiären Verbindungen zu einem rechtlich anerkannten Vater pauschal ausgeschlossen sind, hat das Gericht für nichtig erklärt (Az.: 1 BvR 2017/21) und den Gesetzgeber aufgefordert, solche Fälle bis spätestens zum Sommer 2025 neu zu regeln. Väter, die derzeit vor Gericht in solchen Fällen um ihre rechtliche Vaterschaft streiten, können ihre Verfahren bis dahin aussetzen lassen.

Geklagt hatte der Vater eines mittlerweile dreijährigen Sohns aus Sachsen-Anhalt. Er ist unstreitig der leibliche Vater, war mit der Mutter aber nicht verheiratet. Diese wandte sich nach der Geburt einem neuen Partner zu, der mit ihrer Zustimmung das Kind als eigenes anerkannte und damit in die Rolle als rechtlicher Vater schlüpfte.

Eine Anfechtung dieser Vaterschaft durch den leiblichen Vater scheiterte, zuletzt vor dem Oberlandesgericht Naumburg. Denn das BGB ist hier strikt: Eine solche Anfechtung ist nach Paragraf 1600 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ausgeschlossen, wenn eine „sozial-familiäre Beziehung“ des rechtlichen Vaters zum Kind besteht. Die Regelung soll zugunsten des Kindeswohls vermeiden, dass sich leibliche Väter in familiäre Beziehungen drängen - und deren Bestand dadurch gefährden.

Eltern im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG muss es grundsätzlich möglich sein, Elternverantwortung für ihre Kinder erhalten und ausüben zu können.

Das Bundesverfassungsgericht in seinem am Dienstag verkündeten Urteil

Das Bundesverfassungsgericht sieht diesen pauschalen Ausschluss nun als Verstoß gegen das Elterngrundrecht aus Artikel sechs des Grundgesetzes (GG). Dieser Artikel „garantiert einem leiblichen Vater die Möglichkeit, auch rechtlicher Vater seines Kindes zu werden“, heißt es in einem Leitsatz des Urteils. Der Beschwerdeführer hat damit noch nicht erreicht, was er will. Das Oberlandesgericht muss seinen Fall neu verhandeln, dann aber unter geänderten Vorzeichen und mit besseren Chancen für ihn.

Väter konnten sich vor Gericht nicht durchsetzen

Dass leibliche Väter unter dem Schutz des Elterngrundrechts stehen, ist im Prinzip nicht neu. Trotzdem konnten sie sich lange nicht vor Gericht durchsetzen, wenn ein anderer Mann die Vaterschaft wirksam anerkannt hat. Lange galt ein pauschaler Ausschluss sogar dann, wenn überhaupt keine sozial-familiäre Bindung zum rechtlichen Vater bestand.

2003 verwarf das Bundesverfassungsgericht diese Regelung mit Blick auf das Elterngrundrecht leiblicher Väter, nahm aber eine Einschränkung vor: Elternrecht und Elternpflichten gehörten zusammen, mit Folgen für leibliche Väter, die keine rechtlichen sind: „Wenn das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Rechte nur zusammen mit Pflichten vermittelt, kann auch Inhaber dieses Rechts nur sein, wer zugleich die Elternverantwortung trägt“, hieß es damals. Ein „Nebeneinander von zwei Vätern“, entspreche nicht der Vorstellung von elterlicher Verantwortung, die Artikel sechs zugrunde liege.

Diese Rechtsprechung hat das Gericht jetzt offenbar als überholt angesehen und korrigiert. Demnach soll ein solches Väter-Nebeneinander zwar nicht geboten, aber verfassungsrechtlich möglich sein. Nur ausufern dürfe das Ganze nicht, aufgrund der Kindeswohlorientierung sei „eine enge Begrenzung der Zahl der Elternteile“ erforderlich.

Mit dem Karlsruher Urteil steht dem Gesetzgeber offen, Konzepte eine „Mehrelternschaft“ oder „Doppel-Vaterschaft“ zu verfolgen. Gleichzeitig kann und soll gewährleistet werden, dass dergleichen nicht zu neuen Konflikten führt, die Kinder in ihrer Entwicklung und insbesondere in der Entwicklung ihres Bindungsverhaltens gefährden könnten.

Gefragt ist also ein Ausgleich. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht auch nicht die Zielsetzungen der bisher geltenden Regelung beanstandet, sondern nur, dass Rechte und Interessen leiblicher Väter bisher nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Politik kann demnach auch an dem bisherigen Konzept rechtlicher Elternschaft festhalten, muss dann aber ein Verfahren bereitstellen, das leiblichen Vätern den Weg in die rechtliche Elternschaft eröffnet, wenn sie sich von Anfang an um ihr Kind kümmern und eine Beziehung zu ihm aufbauen wollen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte schon vor dem Urteil eine Reform angekündigt und Eckpunkte vorgelegt. Er will die Position leiblicher Väter stärken, aber am Grundsatz von zwei rechtlichen Elternteilen festhalten.

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