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Der Konsum von Cannabis zu Genusszwecken soll Erwachsenen in begrenztem Umfang künftig erlaubt sein.

© REUTERS/LISI NIESNER

Cannabis-Freigabe: Grüner Rauch im Bundestag – aber die nächste Hürde wartet schon

Eine Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag stimmt für die teilweise Legalisierung des Cannabis-Konsums. Im Bundesrat steht aber eine neuerliche Diskussion bevor.

Der Bundestag hat der begrenzten Freigabe von Cannabis zugestimmt. Das Cannabis-Gesetz, das unter anderem für Erwachsene den Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis im privaten Raum erlaubt, wurde mit den Stimmen der Ampel-Koalition sowie von Linken und einzelnen Abgeordneten des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ (BSW) gebilligt. Union und AfD stimmten dagegen.

Die Ampel erreichte bei der Abstimmung eine eigene Mehrheit. In den Reihen der Koalition gab es lediglich vier Gegenstimmen von der SPD und eine Nein-Stimme bei der FDP. Zuvor hatte es bei einer Probeabstimmung in der SPD-Fraktion am Dienstag 16 Stimmen gegen das Gesetz gegeben.

In der Debatte im Bundestag wurde erneut deutlich, wie umstritten die geplante Teil-Legalisierung von Cannabis ist. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verwies darauf, dass in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen die Zahl der Cannabis-Konsumenten zwischen 2011 und 2021 um 100 Prozent gestiegen sei.

Angesichts der zunehmenden Probleme mit toxischen Beimengungen, die das Cannabis auf dem Schwarzmarkt enthalte, und einer steigenden Zahl von Drogendelikten könne man „so nicht weitermachen“.

Man dürfe die besonders gefährdete Gruppe der 18- bis 25-Jährigen nicht dem Schwarzmarkt überlassen, forderte Lauterbach. Das werde aber nur funktionieren, „wenn wir auch Angebot gegen den Schwarzmarkt setzen können“, fügte er mit Blick auf den in Grenzen freigegebenen Eigenanbau und die geplante Abgabe in den Anbauvereinen hinzu. Gleichzeitig verwies er darauf, dass das Gesetz eine Erhöhung des Strafmaßes für Dealer, die Cannabis an Kinder und Jugendliche verkauften, auf mindestens zwei Jahre vorsehe.

Der Gesundheitsminister räumte ein, dass er selbst über viele Jahre hinweg ein Gegner der Legalisierung gewesen sei. Aber man müsse dem Rat von Suchtforschern folgen, die für ein Ende der Kriminalisierung des Cannabis-Konsums plädierten.

Auch die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), erklärte, dass mit dem Gesetz eine „schädliche Verbotspolitik“ beendet werde. Mit der Hanf-Freigabe werde der Kinder- und Jugendschutz gestärkt. Sie sprach mit Blick auf die Legalisierung von einem „Meilenstein einer vernunftgeleiteten Drogenpolitik“.

Die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lütke, geht davon aus, dass der Weg zum Dealer künftig schwieriger wird.
Die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lütke, geht davon aus, dass der Weg zum Dealer künftig schwieriger wird.

© Kristine Lütke

Nach den Worten der sucht- und drogenpolitischen Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lütke, werde durch den erlaubten Eigenanbau und die Abgabe in Anbauvereinen sichergestellt, dass Cannabis künftig nicht mehr mit gesundheitsgefährdenden Substanzen versetzt werde. Damit werde auch der Weg zum Dealer und zu weit gefährlicheren Drogen weitaus länger, so Lütke.

Tino Sorge (CDU), der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, führte dagegen die Kritik von Kinder- und Jugendärzten sowie Kriminalbeamten, Eltern und Pädogogen an der Freigabe ins Feld. Der Kinder- und Jugendschutz sei mit der Hanf-Freigabe nicht gewährleistet, kritisierte er.

Auch die CDU-Gesundheitspolitikerin Simone Borchardt erklärte, dass der Kinder- und Jugendschutz im Cannabisgesetz „nicht mehr als ein reines Lippenbekenntnis“ darstelle.  Stattdessen sei die Freigabe ein „Konjunkturprogramm für die Organisierte Kriminalität“.

Der Bundesrat will sich am 22. März mit dem Cannabisgesetz befassen.
Der Bundesrat will sich am 22. März mit dem Cannabisgesetz befassen.

© dpa/Demy Becker

Ob die Freigabe des Konsums aber wie geplant zum 1. April in Kraft tritt, ist offen. Der Bundesrat will sich am 22. März mit dem Gesetz befassen. Allerdings handelt es sich um ein Einspruchsgesetz, das heißt, dass der Bundestag einen möglichen Einspruch der Länderkammer zurückweisen kann. Bayern will indes einen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beantragen, was das Inkrafttreten verzögern könnte.

Bereits am Vorabend der Abstimmung hatte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Özdemir) bei einer Veranstaltung des Tagesspiegel-Checkpoint erfreut über die Legalisierung geäußert. Ziel sei es nicht, dass sich die Leute „das Hirn wegkiffen“, sondern dass Volljährige selbst entscheiden, ob sie „ein Feierabendbier oder ein Viertele Wein trinken oder ihren Joint rauchen“, sagte Özdemir. Es sei nicht Aufgabe des Staates zu entscheiden, ob man ein Bier auf dem Oktoberfest trinke oder einen Joint rauche.

Holetschek warnt vor „enormen Mengen von Cannabis auf grauem Markt“

Doch mit dem Prozess sind am Ende auch viele Grüne nicht zufrieden. Die Sorge vor einem Vermittlungsausschuss ist groß. Denn weil das Gesetz schon zum 1. April gelten soll, steht die Justiz vor enormen Belastungen. Hintergrund ist eine Amnestievorschrift im Cannabisgesetz.

Dadurch wären rechtskräftige Strafen für Cannabisvergehen mit Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr gültig. Die Justiz müsste dafür jedoch viele tausend Fälle händisch prüfen. Um dem Vermittlungsausschuss die Nahrung zu nehmen, hätten sich viele Grüne ein späteres Inkrafttreten vorstellen können.

Auch die öffentliche Kritik in den Reihen der SPD hat die Grünen verärgert. Damit liefere man nur Stoff für einen Vermittlungsausschuss. Dort, so die Sorge der Grünen, könnten die SPD-Länder auf die Seite der Union kippen und das Gesetz massiv verändern.

Durch die Legalisierung werden enorme Mengen von Cannabis auf dem grauen Markt kommen und darüber in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen.

Klaus Holetschek, CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag

Der CSU-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, kritisierte, dass die Ampel-Koalition gegen alle gesellschaftlichen wie parteiinternen Widerstände „und mit einer unfassbaren Ignoranz gegenüber ärztlichem Rat das Cannabis-Gesetz weiter durchpeitschen“ wolle. „Durch die Legalisierung werden enorme Mengen von Cannabis auf den grauen Markt kommen und darüber in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen“, sagte Holetschek dem Tagesspiegel.

Der CSU-Politiker erklärte weiter, man werde „alle juristischen Möglichkeiten prüfen“ mit Blick auf das Cannabis-Gesetz. Gesundheitsminister Lauterbach hatte zuvor erklärt, dass er mit Verfassungsklagen gegen die Legalisierung rechne. Gleichzeitig hatte er sich aber zuversichtlich gezeigt, dass das Gesetz gerichtsfest sein werde.

Bayerns Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kritisierte die Teil-Legalisierung ebenfalls scharf. „Die Cannabis-Freigabe ist eine krasse Fehlentscheidung, weil es den Dealern Tür und Tor öffnet“, sagte er dem Tagesspiegel. „Wenn man mit 25 Gramm Cannabis in der Hosentasche legal rumlaufen darf, sogar bis 100 Meter vor Schulen, dann ist klar, was dabei rauskommt“, kritisierte er. Mit dem Cannabisgesetz werde es künftig weniger anstatt mehr Jugendschutz geben.

Zudem kritisierte Aiwanger, dass die Polizei in Zukunft nicht mehr nachweisen könne, ob die Droge illegal weiterverkauft oder für den Eigenverbrauch benutzt wird. Cannabis werde damit allgegenwärtig und leichter verfügbar. „Die Legalisierung muss schnellstmöglich gestoppt und spätestens mit dem Ende der Ampel wieder kassiert werden, um Schlimmeres zu verhindern“, so Aiwanger.

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