zum Hauptinhalt
Friedlicher Protest beim „Global Marijuana March“ in Düsseldorf vor einem Jahr.

© IMAGO/aal.photo/IMAGO/Piero Nigro / aal.photo

Cannabis darf strafbar bleiben: Die Legalisierung ist nicht die einzige Lösung

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Alt-Beschluss gegen das „Recht auf Rausch“ entstaubt. Gut so – denn niemand weiß, wohin Freigabe-Politik wirklich führt.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Bald soll sie kommen, die „kontrollierte Weitergabe von Konsumcannabis an Erwachsene zu nicht-medizinischen Zwecken“. So heißt im Regierungsdeutsch das ursprünglich ambitionierte, aufgrund von EU-Recht dann geschrumpfte Vorhaben zur nationalen Hanffreiheit. Seit Jahrzehnten wird darum gerungen; die Ampel-Koalition plant nun den mittelgroßen Sprung nach vorne. Eigenanbau und Besitz bis 25 Gramm ohne Ärger mit dem Staat, da freuen sich viele drauf.

Das Bundesverfassungsgericht hat zu dem Thema jetzt einen bemerkenswerten Beschluss gefasst. Es wies ein rundes Dutzend Vorlagen aus Amtsgerichten zurück, die über die typischen Fälle der Cannabis-Kleinkriminalität zu urteilen haben. Die dort zuständigen Richter halten die restriktiven Strafvorschriften des Betäubungsmittelrechts für unverhältnismäßig und verfassungswidrig.

Dieser nicht nur in juristischen Kiffer-Kreisen vielfach geteilten Perspektive konnte man in Karlsruhe nicht das Geringste abgewinnen. Eine mit zwei Richterinnen und einem Richter besetzte Kammer des Zweiten Senats ließ den Vorstoß ins Leere laufen. Die Vorlagen seien bereits unzulässig. Wesentlicher Grund: Die Gerichte hätten darlegen müssen, was sich seit 1994 denn so fundamental geändert haben sollte. Denn bereits damals hatte sich das Bundesverfassungsgericht mit derselben Frage befasst, gegen ein „Recht auf Rausch“ entschieden und die Strafnormen für verfassungsfest erklärt.

Daher darf der Gesetzgeber, was er immer noch tut: Cannabis kriminalisieren. Als Mittel gegen soziale Gefährlichkeit, zum Zweck des Jugendschutzes, im Kampf gegen organisierte Kriminalität. Es ist ein Mittel – es ist nicht das einzige Mittel.

Jost Müller-Neuhof

Der Beschluss von damals ist offenbar gut gealtert. Tatsächlich hatte er alle wesentlichen Probleme und Entwicklungen im Blick. Auch den aktuell wieder beliebten Vergleich mit dem Alkohol, der bekanntlich weit größere Schäden an der Volksgesundheit anrichtet als das Kiffen. Die klare Ansage: Alkohol könne aufgrund der Konsumgewohnheiten nicht einfach verboten werden, Cannabis schon. Alkohol sei zudem ein anderer Stoff, kulturell, sozial und auch sonst. Auch dass Cannabis nicht so gefährlich ist, wie man früher mal dachte, war dem Gericht schon bewusst.

Daher darf der Gesetzgeber, was er immer noch tut: Cannabis kriminalisieren. Als Mittel gegen soziale Gefährlichkeit, zum Zweck des Jugendschutzes, im Kampf gegen organisierte Kriminalität. Es ist ein Mittel – es ist nicht das einzige Mittel.

Der Beschluss wirkt, als sei er ein Dämpfer für die aktuelle Politik. Tatsächlich zeigt er nur, dass das Strafrecht im Umgang mit weichen Drogen weiterhin bereitsteht. Das ist wichtig und richtig, denn niemand weiß, wohin der jetzt ins Auge genommene Weg führen wird. Die Cannabis-Prohibition, das wissen alle, ist irgendwie gescheitert. Die Cannabis-Liberalisierung hat das vielleicht noch vor sich.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false