zum Hauptinhalt
Finanzielles Schlaraffenland? Crowdworking hat seine Tücken.

© dpa-tmn

Digitalwirtschaft: Das gute Ziel und die bösen Folgen

Bessere Arbeitsbedingungen für Crowdworker sind wünschenswert, sie verteuern aber den Standort Deutschland. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Einen „fairen Ordnungsrahmen für die Plattformökonomie“ hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in dieser Woche verlangt. Auch Crowdworker – Erwerbstätige, die meist als Selbstständige für einen der vielen Auftraggeber der Digitalwirtschaft arbeiten – sollten eine Altersversorgung bekommen, Kündigungsschutz genießen, und gegen Ausbeutung geschützt werden.

Das ist gut. Und doch haben die Vorschläge des Ministers Konsequenzen, über die man sich klar werden muss: In der Digitalwirtschaft sind dieselben Mechanismen wie in Textilfabriken und bei Elektronikherstellern am Werk, nur drastischer: Wenn Arbeit teuer wird, wird sie verlagert.

Das Bundesarbeitsgericht gab in der vergangenen Woche einem Mann Recht, der jahrelang Arbeiten für einen der zahlreichen Microjob-Vermittler übernommen hatte. Auf einmal erhielt er keine Aufträge mehr.

Der Mann klagte dagegen: Er sei eher Beschäftigter als Auftragnehmer gewesen und habe deshalb Anspruch auf Kündigungsschutz gehabt, befand das Gericht. Ein Einzelfall. Doch vielen Solo-Selbstständigen geht es ähnlich. Sie müssten eigentlich als Angestellte behandelt werden, weil sie weisungsgebunden arbeiten und nicht frei entscheiden, wann und wie viele Aufträge sie erledigen wollen.

Zugang zur Sozial- und Unfallversicherung

Für Crowdworker, deren Dienstleistungen an den Ort gebunden sind, sind das auf den ersten Blick gute Aussichten. Paket- und Essenslieferanten, Haushaltshilfen und Gelegenheitschauffeure werden möglicherweise bald bessere Arbeitsbedingungen und Zugang zu den Sozial- und Unfallversicherungen bekommen. Zwar wird ihre Dienstleistung dadurch teurer, Nachfrage und Jobangebot werden vermutlich schrumpfen. Doch diesen Preis wird der Arbeitsminister in Kauf nehmen.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Schon hier beginnt eine Gratwanderung für Sozialpolitiker. Sie wird noch komplizierter für Auftragnehmer von rein digitalen Jobs. Ihre Arbeiten – das Abtippen von Adressen und kurzen Texten, das Analysieren von Fotos beispielsweise – können überall erledigt werden. In der Corona-Krise wandern viele dieser Arbeiten in Länder, die vom Einbruch der Wirtschaft besonders betroffen sind. Clickworker in Deutschland können schon heute nicht mehr mithalten.

Ordentliche Arbeitsverhältnisse in der Plattformwirtschaft wird es in Deutschland nur dann geben, wenn die Erwerbstätigen produktiver, qualifizierter und zuverlässiger sind als ihre globalen Wettbewerber. Sonst gibt es demnächst vielleicht einen fairen Ordnungsrahmen für die Arbeitnehmer – doch keine Arbeit mehr für sie.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false