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Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner (v.l.)

© Imago/Political-Moments

Dauerstreit in der Koalition: Die Ampel braucht einen echten Neustart

Erst schimpft Habeck, dann poltert Kubicki, der Kanzler hält sich zurück. Das muss aufhören. Die Ampel muss einen neuen Modus des Regierens finden. Sonst wird sie eine Koalition des Stillstands.

Ein Kommentar von Maria Fiedler

Es ist eine Episode, die symbolhaft steht für den Zustand der Ampel. FDP-Vize Wolfgang Kubicki versteigt sich in einer TV-Sendung zu der Aussage, Robert Habeck und Wladimir Putin hätten ein ähnliches Freiheitsverständnis. Er vergleicht also ernsthaft den Grünen-Wirtschaftsminister mit dem Kriegstreiber Putin – in der Ampel sind einige fassungslos. Schon kurz darauf fällt auch Kubicki selbst auf, wie groß die Entgleisung ist. Er bittet um Entschuldigung.

Der Vorgang zeigt, wie in der Ampel die Nerven blank liegen. Denn auch wenn Kubicki weit übers Ziel hinausgeschossen ist, steht dahinter ein Gefühl, das ein Teil seiner Partei teilt: eine Abneigung gegen das Regieren in der Ampel. Und den Wunsch maximaler Abgrenzung vom Koalitionspartner Grüne.

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Auch bei den Grünen ist man genervt – nicht nur von Kubicki. „Die FDP als Ganzes muss aufpassen, dass sie sich nicht weiter ins Abseits stellt“, meint die Grünen-Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Die FDP mutiere zur Nein-Sager-Partei. Robert Habeck schimpfte kurz vorher, es könne nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Partner für den Fortschritt zuständig sei. Die Grünen empfinden die Liberalen als Bremser in der Koalition.

Auch von der SPD sind sie bei den Grünen genervt – sie wünschen sich vom Kanzler mehr Führung. Und sie kritisieren, dass nicht klar sei, was die Sozialdemokraten wollen: etwa bei den Themen Bildung, Bundeswehr, Kindergrundsicherung oder Steuern.

Von SPD-Chef Lars Klingbeil kommt indes nur die Ermahnung, der öffentliche Streit müsse aufhören.

Die Koalition muss sich ihren Problemen stellen

Die Ampel braucht einen echten Neustart. Die Kabinettsklausur in Meseberg hat offensichtlich dazu nicht getaugt. Zwar wurde hinterher das gute Miteinander beschworen, aber lange hat es nicht vorgehalten.

Nun steht am Wochenende der Koalitionsausschuss an. Dort soll über das Verbrenner-Aus, die Planungsbeschleunigung sowie ein Klimaschutzsofortprogramm für den Verkehrssektor gesprochen werden. All das sind heikle Themen innerhalb der Ampel – sodass die Koalition gar nicht drumherum kommt, sich den dahinter liegenden Problemen zu stellen.

Was ist geworden aus dem Vorsatz, sich gegenseitig etwas gönnen zu können? Bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag hat es doch auch geklappt.

Maria Fiedler über die Ampel-Koalition

Habeck hat die offen benannt: Man verstehe sich zwar hinter den Kulissen gut, kriege aber die Vorhaben nur schwer über die Rampe. Weil dann wieder geschaut werde, „wie ist der mediale Echoraum, was macht mein nächster Parteitag, wo sind die nächsten Landtagswahlen“.

Im Klartext: Die Partner sind zu sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat nachgeschaut: Bei etwa 30 Vorhaben hat sich die Ampel gegenseitig blockiert.

Der Geist der Koalitionsverhandlungen

Das muss aufhören. Was ist geworden aus dem Vorsatz, sich gegenseitig etwas gönnen zu können? Bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag hat es doch auch geklappt. Da hat jeder Partner Erfolge vorweisen können, musste aber an anderer Stelle Kröten schlucken.

Jetzt sind vor allem die Liberalen nervös, weil die vergangenen Landtagswahlen in die Binsen gingen. Doch wenn die FDP als Blockierer dasteht, vertieft das die Krise der Partei nur.

Die Ampel sollte versuchen, den Geist der Koalitionsverhandlungen wiederzubeleben und bei entscheidenden Vorhaben endlich voranzukommen. Mit dem zerrütteten Erscheinungsbild sind schließlich alle unglücklich. Viele Bürger trauen den Parteien schon jetzt nicht mehr zu, die großen Probleme im Land zu lösen. Das Verhalten der Ampel schürt den Politikverdruss im Land.

Ein echter Neustart der Ampel würde bedeuten: Der Kanzler kann sich nicht nur auf die in einem Dreibündnis notwendige Moderatorenrolle zurückziehen. Er muss mehr Führung übernehmen. Alle strittigen Punkte, die gerade auf Halde liegen, sollten auf den Tisch.

Wenn das heißt, dass beispielsweise die Reform des Mietrechts – Erfolg für die SPD – verdealt wird mit einer Absage an die Vorratsdatenspeicherung – Erfolg für die FDP –, dann mag das nicht jedem gefallen. Aber zumindest würde so ein Vorgehen Knoten in der Ampel durchschlagen. Die Ampel muss einen anderen Modus des Regierens finden. Sonst wird aus der Fortschrittskoalition eine Stillstandskoalition.

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