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Der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

© REUTERS/Fabrizio Bensch

EM-Finalbesuch in Wembley: Dem Kanzler passt der Frauen-Triumph ins Konzept

Die Ampel sieht sich als Fortschrittsbündnis, da kommt in Krisenzeiten der Frauen-Erfolg gerade recht. Für das EM-Finale unterbricht Scholz sogar seinen Urlaub.

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Von Angela Merkel gibt es ikonische Bilder inmitten verschwitzter Fußballnationalspieler in der Kabine bei der WM in Brasilien. Ob Olaf Scholz auch nach dem EM-Finale der Frauen die Katakomben des Wembley-Stadions aufsuchen wird?

Für den Kanzler und seine Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP passt die Erfolgsgeschichte wie gemalt zur Erzählung des Regierungsbündnisses als Fortschrittskoalition, die vor allem auch gesellschaftspolitisch einiges verändern und die Stellung der Frauen stärken will. Das fing schon mit der Parität von Männern und Frauen bei der Besetzung der Ministerposten im Kabinett an – acht zu acht.

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Und so nutzt das Kommunikationsteam des Kanzlers die EM auch für die eigene politische Agenda. „Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden. Das gilt auch für den Sport, besonders für Nationalmannschaften. Spanien hat da die Nase vorn“, wurde im Namen des Kanzlers vor dem Auftaktspiel gegen Spanien getwittert.

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DFB-Direktor Oliver Bierhoff will sich deshalb mit dem SPD-Politiker treffen, um das zu besprechen. Scholz hat hier einen gewissen Druck erzeugt, noch klaffen zum Beispiel auch die Siegprämien weit auseinander, immerhin wurden für die Frauen dieses Mal 60.000 Euro je Spielerin ausgelobt.

Fußball-Nationalspielerin Lina Magull hat zudem für alle Spielerinnen in der 1. und 2. Bundesliga ein Mindestgehalt von 2000 bis 3000 Euro im Monat gefordert, damit niemand mehr nebenbei arbeiten muss.

Olaf Scholz 2016 mit dem gerade verstorbenen Uwe Seeler.

© imago/Oliver Ruhnke

Vielleicht klappt es ja schon am Sonntag mit dem Bierhoff/Scholz-Treffen. „Die Einladung steht natürlich", sagt Bierhoff“. Nach dem 2-1-Halbfinalsieg gegen Frankreich ließ der Kanzler via Twitter verbreiten: „Glückwunsch an die #DFB-Elf zum Einzug ins Finale der #WEURO2022. Das war eine großartige Leistung.“

Olaf Scholz hat eine Debatte um die Bezahlung ausgelöst

Er freue sich darauf, nach London zu fahren und das Team im Traumfinale gegen die Gastgeberinnen aus England in Wembley zu unterstützen.

Scholz ist bisher nicht als großer Fußball-Fan aufgefallen. Auch sein Umfeld betont, dass bisher kein übermäßig großes Interesse da sei, anders als bei seinem Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, der jeden Sonntag mit einer Hobbytruppe kickt und eingefleischter Fan des St. Pauli ist.

Der Kanzler sieht auch als Feminist

Aber der Regierungschef preist sich selbst gleichsam als Feministen der ersten Stunde. Schon in der Frühzeit seiner politischen Karriere habe er sich bei den Jusos für Gleichberechtigung eingesetzt, hat er mehrfach betont. Und es war ihm wichtig, erstmals in der deutschen Geschichte ein paritätisch besetztes Kabinett aufzustellen. Insofern passt die Erzählung von den selbstbewussten und zudem erfolgreichen jungen Frauen auf dem Fußballplatz ins politische Konzept des Kanzlers - und er selbst will von ihrem Erfolg profitieren, indem er Interesse und Nähe zeigt.

Angela Merkel und Joachim Gauck jubeln im WM-Finale 2014. Drei Plätze neben Merkel: Wladimir Putin.

© imago/Action Pictures

In Krisenzeiten ist Fußball oft ein wichtiger Kitt in der Gesellschaft gewesen, am deutlichsten wurde das am WM-Triumph 1954 in der Nachkriegszeit. Als Scholz letztens weitere Hilfen für die Bundesbürger wegen der dramatisch steigenden Energiekosten ankündigte, sagte er plötzlich einen Satz, den fast jeder aus der Hymne des FC Liverpool kennt und mit dem Scholz den Zusammenhalt in der Gesellschaft in schwieriger Zeit festigen will: „You'll never walk alone.“ Aber ob er wie einst Merkel deutsche Tore frenetisch bejubeln wird? Zu seiner hanseatischen Mentalität passt es eigentlich nicht.

Angela Merkel bei der WM 2014 in Brasilien in der deutschen Kabine.

© DPA

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Beim Halbfinale in England war auch Innen- und Sportministerin Nancy Faeser (SPD) vor Ort, zum Finale will Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ebenfalls anreisen. „Hope to see you at Wembley“, twitterte Baerbock an die Adresse ihrer britischen Amtskollegin Liz Truss, die sich auch um die Nachfolge von Premier Boris Johnson bewirbt.

Auch Familienministerin Lisa Paus würdigte die Spielerinnen als „mitreißende Vorbilder" für gleiche Chancen und Rechte von Männern und Frauen. Das Ressort der Grünen-Politikerin ist für Familien, Senioren, Frauen und Jugend zuständig.

Die Spielerinnen der DFB-Elf hätten eine „grandiose Leistung“ erbracht, sagte Paus dem Tagesspiegel, sie gratuliere „herzlich zum sehr verdienten Finaleinzug“. Mit ihrer Leidenschaft, ihrem Können und ihrem Teamgeist seien sie große Inspiration und mitreißende Vorbilder. "Und wir brauchen Vorbilder – für gleiche Chancen und Rechte für Frauen und Männer - ob im Sport, im Job oder im Alltag.“

In Anspielung auf die politischen Bemühungen um eine gleiche Bezahlung von Männern und Frauen fügte sie hinzu: „Mit Fair Play geht‘s zum Titel und mit Equal Pay zu mehr Gleichberechtigung!“ Da ist sie auf einer Linie mit Scholz und anderen Ampel-Koalitionären.

Die politischen Reaktionen zeigen jedenfalls, dass viele in der Hauptstadt ganz froh sind, dass es auch mal wieder positive Momente und neue Vorbilder gibt – daher unterbricht der Kanzler für das Frauen-Finale gegen England sogar seinen Urlaub im Allgäu.

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