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Wenn die Welt zusammenstürzt: Die Zahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Krankheiten steigt, wie Daten einer Krankenkasse zeigen.

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Depression, Überlastung, Stress: Immer mehr Berufstätige sind psychisch krank

Einen sprunghaften Anstieg bei der Zahl der Krankschreibungen aus psychischer Ursache meldet eine große bundesweite Krankenkasse. Was hinter den Zahlen steckt.

Immer mehr Menschen sind belastet von Depressionen, Belastungsreaktionen und anderen seelischen Problemen – und das hat Auswirkungen auch auf die Arbeitswelt. Das legen Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse nahe, bei der bundesweit rund 1,6 Millionen Menschen versichert sind. Demnach ist die Zahl der Krankschreibungen von Berufstätigen aus psychischer Ursache im ersten Halbjahr 2023 rasant gestiegen.

Im gesamten Jahr 2022 kamen auf 100 Versicherte 339 Fehltage. Im ersten Halbjahr 2023 waren es bereits fast genauso viele, nämlich 303. Einen so starken Anstieg gab es in der jüngeren Vergangenheit zuvor nicht. Im Jahr 2019, also vor der Corona-Pandemie, waren es rund 274 Fehltage.

43
Prozent der erwerbstätigen Versicherten fühlen sich oft gestresst.

Entsprechend stieg auch die Arbeitsunfähigkeitsquote, also die Zahl der Krankschreibungen im Verhältnis zu den berufstätigen Versicherten: Im ersten Halbjahr 2022 lag sie noch bei 3,9 Prozent, im ersten Halbjahr 2023 bei 5,2 Prozent.

Am häufigsten diagnostiziert wurden akute Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen, also Schwierigkeiten, mit belastenden Lebenssituationen umzugehen (zusammen 40,9 Prozent). Zweithäufigste Ursache der Krankschreibung sind depressive Episoden (17,1 Prozent).

Beruf und Politik als Stressoren gleichauf

Die Krankenkasse hat eine Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben, um die eigenen Daten zu ergänzen. Diese ergab: Gut 43 Prozent der erwerbstätigen Versicherten fühlen sich häufig oder sehr häufig gestresst. Knapp 60 Prozent sagen, der Stress habe in den vergangenen ein bis zwei Jahren zugenommen. Als Stressursachen werden der Beruf sowie politische Themen wie Klimawandel und Inflation gleichermaßen genannt. Die Daten ermöglichen aber keinen Rückschluss, ob Stress ursächlich für psychische Erkrankungen ist.

Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums sagte zu den Zahlen, Arbeitgeber seien ausdrücklich verpflichtet, psychische Belastungsfaktoren beim Arbeitsschutz zu berücksichtigen. Mehrarbeit, weil Kollegen ausfallen, und auch der Mangel an Fach- und Arbeitskräften könnten die Arbeitsverdichtung erhöhen und so zur Belastung werden.

„Viele Menschen erleben angesichts der Weltenlage Unsicherheit und Kontrollverlust. Das kann dazu führen, den Boden unter den Füßen zu verlieren“, sagt KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick. Auch manche Nachwirkungen der Corona-Pandemie würden sich erst jetzt zeigen. „Es dauert, bis jemand tatsächlich eine Depression entwickelt.“

Dabei geht es einerseits um die Nachwirkungen der Lockdowns, ebenso aber um Verlusterfahrungen etwa von Menschen, deren Angehörige verstorben oder chronisch erkrankt sind. „Wenn es Corona alleine gewesen wäre, hätten sich wahrscheinlich viele Menschen relativ schnell wieder berappeln können“, sagt Judick. „Aber die Schlagzahl der Krisen ist momentan einfach zu gravierend.“

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