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Handschlag, trotz des Holocaust-Eklat: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Kanzler Olaf Scholz.

© IMAGO/Metodi Popow

Scholz versucht, die Wogen in Israel zu glätten: „Der Bundeskanzler ist kläglich gescheitert bei seiner Bewährungsprobe“

Der Kanzler telefoniert mit Israels Premier und bedauert den Abbas-Auftritt im Kanzleramt. In Israel ist man immer noch fassungslos und äußert Zweifel.

Olaf Scholz sollte in diesen Tagen besser keine israelischen Zeitungen lesen. „Nicht einmal die Shoah kann Deutschlands Verpflichtung gegenüber Israel heute garantieren“, ist eine Analyse der einflussreichen Zeitung „Haaretz“ über den Eklat im Kanzleramt betitelt.

„Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz ist kläglich gescheitert bei seiner ultimativen Bewährungsprobe auf heimischem Terrain“, bilanziert die Zeitung.

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Als der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas in Berlin über die „50 Holocausts“ sprach, die Israel an den Palästinensern begangen haben soll, habe Scholz einfach geschwiegen. „Die Kameras waren auf sein Gesicht gerichtet, in der Hoffnung, eine Verurteilung, Abkehr oder zumindest ein säuerliches Gesicht zu zeichnen. Aber er stand da. Blinzelte und sagte nichts.“

Der Kanzler ist bemüht, dieses entstandene Bild zu korrigieren, den Schaden zu beheben. In einem Telefonat mit dem israelischen Regierungschef Jair Lapid hat er den Auftritt von Abbas erneut verurteilt. Der Kanzler habe in dem Gespräch betont, „dass er jeden Versuch, den Holocaust zu leugnen oder zu relativieren, scharf verurteilt“, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Donnerstag in Berlin mit.

Hebestreit hatte zuvor die Verantwortung für die missratene Pressekonferenz übernommen, da er sie nach Abbas' Aussagen beendet und dem Kanzler nicht nochmal das Wort erteilt hatte.

Befremden über mangelnde Schlagfertigkeit

In der SPD wird dagegen auf eine mangelnde Schlagfertigkeit von Scholz in solchen Situationen verwiesen. Zudem wird kritisiert, dass Abbas kurz vor dem 50. Jahrestag des von palästinensischen Terroristen an israelischen Sportlern in München verübten Olympia-Attentats überhaupt so eine Bühne im Kanzleramt bekommen habe.

Druck für Streichung von Geldern wächst

Die Vorsitzende des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Lea Rosh, kritisierte den Kanzler scharf: „Die Verantwortung allein auf seinen Sprecher abzuwälzen, reicht nicht, selbst wenn dieser die Pressekonferenz für beendet erklärte. Der Kanzler selbst hätte reagieren müssen. Dass er das nicht tat, ist unentschuldbar.“ Deutschland dürfe nicht weiter eine Autonomiebehörde finanzieren, „die den Holocaust relativiert und Israel mit Nazi-Deutschland vergleicht“.

Israels Premier Yair Lapid will Scholz bald treffen.

© Ronen Zvulun/REUTERS

Scholz will Lapid rasch auch persönlich treffen

Israels Ministerpräsident Jair Lapid ist selbst Sohn eines Holocaust-Überlebenden. Die Berliner Äußerungen von Abbas seien für Scholz persönlich und für die gesamte Bundesregierung unerträglich und völlig inakzeptabel, betonte Scholz in dem Telefonat mit ihm. Die Erinnerung an den Zivilisationsbruch der Schoah wachzuhalten, sei eine immerwährende Verantwortung dieser und jeder Bundesregierung.

Der Bundeskanzler und Lapid tauschten sich außerdem über die aktuelle Lage in der Region des Nahen und Mittleren Ostens aus. Beide hätten zudem ein baldiges persönliches Treffen in Berlin vereinbart.

Abbas und der politische Schaden

Der 86-jährige Abbas ruderte zwar wieder zurück und bekräftigte, der Holocaust sei „das abscheulichste Verbrechen der modernen menschlichen Geschichte“. Aber der Schaden ist enorm. Auf internationalen Bühnen war Abbas lange ein gerngesehener Gast. Dort standen seine Rolle im Nahost-Friedensprozess und sein Einstehen für eine Zwei-Staaten-Lösung mit Israel im Vordergrund. Der Friedensprozess liegt jedoch schon seit 2014 brach.

Eine Steilvorlage für die Gegner einer Annäherung

Die israelische Regierung unter Naftali Bennett und nun Jair Lapid hatte sich zunächst um einen besseren Kontakt mit Abbas bemüht. Vor allem Verteidigungsminister Benny Gantz traf sich seit Dezember mehrmals mit ihm, um vertrauensbildende Maßnahmen voranzubringen.

Im Juli telefonierte dann auch Regierungschef Lapid mit Abbas. Es war das erste direkte Gespräch zwischen Abbas und einem israelischen Ministerpräsidenten seit Jahren. Doch nun herrscht wieder Eiszeit.

In wenigen Monaten wählt Israel zudem ein neues Parlament. Die rechtskonservative Partei von Ex-Regierungschef Benjamin Netanjahu warnt bereits vor einer „zwanghaften“ Zusammenarbeit mit einem „Holocaust-Leugner“.

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