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© Foto: Reuters/Alexander Ermochenko

Update

Deutscher „beobachtete“ Scheinreferenden: Manager nach Reise in den Donbass freigestellt

Der Geschäftsführer eines hessischen Energieversorgers lobte vor Ort die Scheinreferenden. Das kostete ihn den Job. Nun behauptet er, die Russen hätten ihn benutzt.

Die angebliche Urlaubsreise in den Donbass blieb nicht ohne Folgen. Stefan Schaller, bisher Geschäftsführer eines Energieversorgers in Nordhessen, wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt. Das entschieden die Aufsichtsgremien der Energie Waldeck-Frankenberg am Montag einstimmig in einer eilig einberufenen Sondersitzung.

Das Verhalten des Geschäftsführers verstoße klar „gegen die Weltanschauung, die moralischen Werte und die Philosophie des Unternehmens“, erklärte Landrat Jürgen van der Horst, der den Aufsichtsrat des Energieversorgers leitet. Schaller war am Wochenende bei den Scheinreferenden im Donbass als angeblicher „Wahlbeobachter“ aufgetaucht.

In russischen Staatsmedien wurden die Aussagen des „Beobachters aus Deutschland“ zur Legitimierung des Scheinreferendums verwendet. Die Organisation sei so gut wie in der begrenzten Zeit möglich, sagte Schaller in Saporischschja, einer Region, die von russischen Truppen besetzt ist. Ein Video, das die staatliche Nachrichtenagentur Tass veröffentlichte, zeigte den deutschen Manager vor einer russischen Fahne.

Wenn ich hier bin, sehe ich mit eigenen Augen, dass die Leute freiwillig abstimmen.

Stefan Schaller, angeblicher „Wahlbeobachter“ in Saporischschja

Westliche Medien berichteten, dass die Abstimmung unter Zwang stattfinde, sagte Schaller. „Aber wenn ich hier bin, sehe ich mit eigenen Augen, dass die Leute freiwillig abstimmen.“ Mit diesen Worten wird Schaller in einem Tass-Beitrag zitiert. „Ich habe schon Erfahrung als internationaler Beobachter“, betonte er. Der Manager aus Nordhessen war nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr zu den russischen Duma-Wahlen gereist.

Die Scheinreferenden in den ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja laufen noch bis diesen Dienstag. Sie sind international nicht anerkannt und gelten als Schritt zur Annexion dieser Gebiete durch Russland. Deshalb werden die Pseudo-Abstimmungen auch nicht von Wahlbeobachtern internationaler Organisationen wie der OSZE oder des Europarates begleitet.

Moskau braucht angebliche Beobachter zur Legitimierung

Russland setzt schon seit Jahren darauf, eigens ausgewählte Vertreter westlicher Staaten als angebliche Wahlbeobachter einzuladen, die einen transparenten und fairen Verlauf der jeweiligen Abstimmung bescheinigen sollen. Deren Äußerungen werden dann in russischen Staatsmedien breit zitiert. Schon bei der Präsidentenwahl 2018 waren Abgeordnete der AfD nicht nur in Moskau und Umgebung unterwegs, ein Parlamentarier reiste auf die annektierte Krim, obwohl die Abstimmung dort international nicht anerkannt war.

In diesen Tagen wollten auch drei AfD-Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen in den von Russland besetzten Donbass fahren. Nach massiver öffentlicher Kritik brachen sie die Reise allerdings ab. Es gilt als wahrscheinlich, dass auch sie bei der Legitimierung der Scheinreferenden helfen sollten. Angesichts des Krieges in der Ukraine ist eine Reise in den umkämpften Donbass nicht ohne die Unterstützung der russischen Armee und wohl auch kaum ohne den russischen Militärgeheimdienst möglich.

Die Anreise aus Deutschland habe fast zwei Tage gedauert, berichtete Schaller in russischen Staatsmedien. Er sei über Istanbul nach Moskau geflogen und dann auf die von Russland 2014 annektierte Halbinsel Krim. Von dort ging es mit dem Bus weiter nach Saporischschja. Schaller sprach von einer privaten Reise. Er habe dafür Urlaub genommen, wie er der „Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen“ sagte. In der Ukraine laufen nun strafrechtliche Ermittlungen gegen Schaller. Er leiste „dem russischen Angriffskrieg Beihilfe“, sagte der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk.

„Ich war einfach so naiv“

Am Montag erklärte er nun, es sei „dumm“ gewesen, sich als Wahlbeobachter einladen zu lassen. „Ich war einfach so naiv und habe geglaubt, ich könnte die technische Wahlbeobachtung von der politischen Dimension trennen“, sagte Schaller dem Sender hr-Info. Den russischen Angriffskrieg will Schaller dabei „völlig ausgeblendet“ haben.

Mittlerweile sehe er ein, die Russen hätten ihn benutzt, sagte Schaller hr-Info. Allerdings würden auch die deutschen Medien seine Reise „ausschlachten“. Laut dem Hessischen Rundfunk hatte Schaller russischen Medien aber Interviews gegeben, in denen er die Organisation der „Wahl“ gelobt hatte und gesagt hatte, die Menschen würden freiwillig abstimmen. Nun erklärte er: „Natürlich haben die Russen mir nicht das komplette Bild gezeigt.“

Unklar ist, wie der Kontakt nach Moskau zustande kam und wieso sich der Geschäftsführer eines Energieversorgers im Norden Hessens zu einer solchen Reise bewegen ließ, die ihn nun den Job kostete. Die Geschichte von Schallers Reise wirft auch ein Schlaglicht darauf, wie weit Russlands Netzwerk in Deutschland reicht.  

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